Werte Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der A 661 mitten im Stadtgebiet Frankfurt ist aus verkehrlichen, städtebaulichen, klimatischen, ökologischen und finanziellen Gründen nicht zu verantworten!

15. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 22. September 2022

 

Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:

 

Werte Frau Vorsteherin,

werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich gebe Herrn Tschierschke völlig recht, wenn er sagt, die Planungshorizonte sind zu lang. Das Projekt ist alt und aus der Zeit gefallen und heute würde man das nicht mehr machen. Doch es gibt offensichtlich niemanden, der bereit ist, diese Projekte an die Gegebenheiten der heutigen Zeit anzupassen.

Wir diskutieren heute, am internationalen autofreien Tag und am Vorabend eines globalen Klimastreiks; in einer Zeit, in der der Klimaschutzbeirat der Bundesregierung dem Verkehrsminister ein vernichtendes Zeugnis für seine Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz ausstellt und von „Arbeitsverweigerung“ spricht; in einer Zeit, in der genau die Autobahn GmbH, von der hier die ganze Zeit die Rede ist und die für Sie an Ihre Stelle getreten ist und gegen eine Fahrradsternfahrt über eine Autobahn zur Übergabe der Unterschriften für ein Volksbegehren für ein hessisches Verkehrswendegesetz geklagt hat. In diesen Zeiten leben wir heute. Über diese Zeiten sprechen wir. Quer über alle politischen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung hinweg wird stets betont, dass ein Autobahnausbau mitten im Stadtgebiet mit den Planungen, wie sie uns im Planfeststellungsbeschluss vorliegen, heute nicht mehr zustimmungsfähig wäre. Grüne Bundestagsabgeordnete filmen Reels für Instagram im Fechenheimer Wald, grüne Stadtverordnete erklären in Pressemitteilungen, sie hielten angesichts der Klimakatastrophe und des Ziels einer Mobilitätswende den Riederwaldtunnel und die damit verbundene Fällung von Bäumen für falsch und anachronistisch.

Der Ortsbeirat 11 – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – hat in seiner letzten Sitzung fraktionsübergreifend und ohne Gegenstimmen ein Rodungsmoratorium gefordert. Jedes Wochenende finden Spaziergänge im Fechenheimer Wald statt. Viele Menschen in Frankfurt unterstützen die nun seit gut einem Jahr im Wald lebenden Baumbesetzerinnen und -besetzer, außer vielleicht Herrn Pürsün und seinen Freunden, die Kleine Anfragen im Landtag stellen und die Kriminalisierung der Waldbesetzung betreiben.

Ja, ich weiß, es besteht Baurecht für die Autobahn GmbH. Danke, Herr Dr. Schulz, Sie müssen heute nicht, wie kürzlich im Ausschuss für Mobilität und Smart-City, mein Rechtsverständnis kommentieren. Sie, werte Mitglieder der Koalition, haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, dass Sie zwar den weiteren Ausbau von Autobahnen ablehnen, aber die A 661 gemäß der aktuellen Planfeststellung inklusive Riederwaldanbindung gebaut werden soll. Aber – und das müssen wir heute wirklich noch einmal betonen – damit agieren Sie und wir in Widersprüchen. Mit den Klimaschutzzielen für Frankfurt wurden in diesem Haus hehre Ziele verabschiedet. Auch beschließen wir hier immer wieder wohlklingende Konzepte, zum Beispiel ein Biodiversitätskonzept, und gerade wird ein Masterplan Mobilität erarbeitet. Alle diese Ziele, Konzepte und Pläne sind Makulatur und Augenwischerei. Wir dürfen nämlich nicht die Augen davor verschließen, was vermeintlich nicht oder nicht mehr in unserer direkten Zuständigkeit liegt, aber die Zukunft dieser Stadt prägen wird.

Ab dem 1. November darf gemäß Planfeststellungsbeschluss im Fechenheimer Wald gerodet werden. Allerdings drohen Umweltschäden, weshalb wir übrigens – wie letztes Jahr auch – ein sofortiges Rodungsmoratorium fordern. Der Fund des Eichenheldbock-Käfers muss artenschutzrechtlich bewertet und die offenbar bislang unzureichenden Maßnahmen zum Schutz der Bechsteinfledermaus wirksam nachgebessert werden. Der Stadtwald ist nahezu tot, und wir verlieren täglich weitere Bäume auf dem Stadtgebiet. Wir planen Parks. Der Central Park ist kürzlich in aller Munde gewesen und auch in der Zeitung, aber wir wissen überhaupt nicht, ob in diesen Parks wirklich Bäume wachsen werden und ob sie nachhaltig wachsen werden angesichts der Hitzesommer. Aber parallel lassen wir großflächige Waldrodungen zu?

Auch der Umgang mit dem zusätzlichen Autoverkehr durch den Autobahnausbau ist nach unserer Auffassung viel zu wenig thematisiert und die Verkehrsentlastungen und möglichen Alternativen sind zu wenig verhandelt. Hier danke ich zumindest für das Prüfen und Berichten zu unserem Antrag für eine Mobilitätswende im Frankfurter Osten, der eben die vielen Bausteine für eine echte Mobilitätswende noch einmal zusammenfasst, wie es der Mobilitätsdezernent auch schon lobend erwähnt hat. Wie es mit dem Lärmschutz für die Anwohnerinnen und Anwohner der A 661 weitergeht, ist derzeit noch völlig unklar. Die Menschen haben aber ein Recht darauf, dass diese Fragen geklärt werden, bevor die Verkehrslawine über sie hineinbricht. Expertinnen und Experten schätzen die Kosten bis zur Fertigstellung im Jahr 2031, wenn es so weit kommen wird, mittlerweile auf mehr als eine Milliarde Euro. Aber es ist ja kein Geld des städtischen Budgets und nicht unsere Zuständigkeit, also egal!

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der A 661 mitten im Stadtgebiet Frankfurt ist aus verkehrlichen, städtebaulichen, klimatischen, ökologischen und finanziellen Gründen nicht zu verantworten. Für DIE LINKE. ist klar: Es ist an der Zeit, dass auch die Stadtpolitik nochmals angemessen und angepasst zu der heutigen Zeit, in der wir leben, und zu den Herausforderungen, vor denen wir stehen, ein deutliches Signal an die Bundesregierung sendet, um die Rodung durch die Autobahn GmbH zu verhindern, und dem Aufgabenträger ein Baumoratorium auferlegt. Es liegt an uns, Zerstörung zu verhindern und damit die Interessen der Frankfurterinnen und Frankfurter und ihrer Zukunft zu schützen. Die aus der Zeit gefallene Planung muss öffentlich eine entschiedene politische Ablehnung erfahren.

GRÜNE, SPD, FDP, Volt, CDU, AfD und BFF‑BIG haben sich mit der Ablehnung unseres Antrages dagegen entschieden. Bitte erklären Sie das Ihren Kindern und der Zukunft.

 

Danke!

 

(Beifall)

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