Ehemals öffentliche Wohnungen wieder in öffentliche Hand überführen

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat tritt mit Vonovia in Verhandlung mit dem Ziel, dass

  1. bestehende Erbbaurechtsverträge zwischen Vonovia und der Stadt Frankfurt zeitnah gekündigt werden. Grund und Boden sollen dauerhaft in die öffentliche Hand überführt werden. Die künftige Verpachtung an private Wohnungsunternehmen ist ausgeschlossen.
  2. Wohnungsbestände, die Vonovia von ehemals öffentlichen Wohnungsgesellschaften aufgekauft hat und die sich auf den Erbbaugrundstücken der Stadt Frankfurt befinden, für einen angemessenen Preis in städtisches Eigentum überführt werden. Als angemessen wird ein Preis definiert, der sich mit einer Miete pro Quadratmeter in Höhe der aktuellen durchschnittlichen Bestandsmiete der ABG Holding finanzieren lässt. Die Wohnungen verbleiben nach Kauf in öffentlicher Hand. Die künftige Privatisierung der Wohnungsbestände ist ausgeschlossen.

Begründung:

Das börsennotierte Wohnungsunternehmen Vonovia besitzt gegenwärtig in Frankfurt große Wohnungsbestände aus ehemals öffentlichem Bestand. In den Jahren 2001 und 2002 wurden tausende Wohnungen der Frankfurter Siedlungsgesellschaft (FSG), an dem die Stadt Frankfurt Anteile besaß, an das Unternehmen Viterra verkauft, die wiederum von der Deutschen Annington gekauft wurde und sich schließlich in Vonovia umbenannte. Im Landtag haben CDU und FDP damals den Verkauf der Anteile herbeigeführt.

Auf Kommunalebene stimmten CDU, SPD, GRÜNE, FDP und FAG („Flughafenausbaugegner“) für den Verkauf der städtischen Anteile der FSG an die Viterra. Zudem hat Vonovia ehemals öffentliche Bestände von der Südwestdeutsche gemeinnützige Wohnungsbau AG und der Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft (GWH) aufgekauft. In Frankfurt hat Vonovia so über die Jahre ihren Bestand auf etwa 11.500 Wohnungen erhöht, die zuvor zum Großteil im Besitz der öffentlichen Hand waren. Gemeinsam mit der Deutsche Wohnen, an der Vonovia seit November 2021 86,87 Prozent der Aktienanteile besitzt, sind es sogar 21.000 Wohnungen in Frankfurt. Vonovia hat damals in großem Stil Wohnungen von ehemals gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften, die mit öffentlicher Förderung zwischen 1910 und 1970 errichtet wurden, zu äußerst günstigen Konditionen erworben und profitiert davon noch heute durch hohe Gewinne. Teilweise hat der Wohnungskonzern nur 20.000 Euro pro Wohnung bezahlt. Ehemals gemeinnützig gebaute Wohnungen wurden demnach billig veräußert und haben sich mittlerweile zum lukrativen Anlageobjekt privater Interessen entwickelt. Das ist eine Entwicklung auf Basis zahlreicher politischer Fehlentscheidungen, die schnellstmöglich rückgängig gemacht werden muss.

Bei Überführung der Wohnungen in die öffentliche Hand soll Vonovia daher lediglich Entschädigungssummen unter Marktwert erhalten, um auf diese Weise die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Da die Wohnungen nach Überführung künftig zu bezahlbaren Preisen und zu Preisen des sozialen Wohnungsbaus vermietet werden sollen, richtet sich die Berechnung für die Entschädigungssumme nach den durchschnittlichen Bestandsmieten der ABG Holding. Die Entschädigung soll sich nicht nach spekulativen Marktpreisen richten, zumal die ehemals öffentlichen Wohnungen seit Übernahme eine Preisexplosion erfahren haben. Die Spekulation auf steigende Mieten als leistungslose Wertsteigerung darf nicht entschädigt werden. Vor allem auch angesichts der mangelhaften Instandhaltung des Wohnungsbestandes ist die Entschädigung für einen angemessen Preis unabhängig vom Marktwert angebracht.

Wesentlicher Grund, um die Wohnungsbestände von Vonovia zu rekommunalisieren, ist das profitorientierte Geschäftsmodell der Aktiengesellschaft, welches die Interessen der Mieter*innenschaft vernachlässigt. Im Zentrum des Geschäftsmodells von Vonovia steht der sogenannte shareholder value, die Zahlung von Dividenden an die Aktienbesitzer*innen. Vonovia befindet sich seit Jahren auf einem aggressiven Expansionskurs, um konkurrenzfähig zu bleiben und sich am Markt zu behaupten. Im Zentrum davon steht eine maximale Mietenabschöpfung. Das bedeutet einerseits, dass maximal mögliche Mieterhöhungen durchgesetzt werden. Andererseits wird durch Modernisierungsmieterhöhungen bei gleichzeitig geringstmöglichen Instandhaltungskosten noch mehr Profit generiert. Dafür steht das börsennotierte Wohnungsunternehmen immer wieder öffentlich in der Kritik. Besonders Mieter*innen müssen für die hohen Dividenden zahlen. 2021 gingen 45 Prozent der Mieteinnahmen allein an die Aktionär*innen mittels Dividendenausschüttung. Im Vorjahr lag diese Quote noch bei 37 Prozent. Vonovia verfolgt in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen der Aktionär*innen und vernachlässigt dabei bewusst die Interessen der Mieter*innenschaft.

DIE LINKE. im Römer beantragte 2019 Einsicht in die Erbbaurechtsverträge der Stadt Frankfurt mit Vonovia. Die Akteneinsicht ergab, dass Häuser auf 40 städtischen Liegenschaften per Erbbaurecht an Vonovia vergeben sind und von dem Wohnungsunternehmen vermietet werden (F 2120/2019). Der Einsicht zufolge sind in Frankfurt etwa 500 Hausnummern, also ganze Siedlungen, betroffen. Vonovia profitiert heute von sehr günstigen Erbpachtverträgen, teilweise werden Erbbauzinsen von nur acht Pfennig pro Quadratmeter fällig, und verlangt trotzdem Marktmieten, die für viele Menschen in Frankfurt nicht leistbar sind.

Heute wird mehr denn je deutlich, dass der Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände an profitorientierte Wohnungsunternehmen ein gravierender Fehler war mit weitreichenden Konsequenzen für die Situation der Wohnraumversorgung in Frankfurt. Laut Akteneinsicht laufen die ersten Erbpachtverträge mit der Vonovia 2029 aus, viele davon jedoch erst zur Mitte des Jahrhunderts oder sogar erst 2101. Auf das Ende der Laufzeiten zu warten ist zu langwierig, um der Krise am Wohnungsmarkt wirksam zu begegnen. Bis dahin ist von einer substanziellen Verschärfung der Wohnungskrise auszugehen. Diese ist z.B. erkennbar am Anstieg der Wohnungslosigkeit, an höherer Mietbelastung, mehr Zwangsräumungen und mehr Menschen in Notunterkünften. Angesichts des steigenden Bedarfs an bezahlbaren Wohnungen und den gewinnorientierten und mieter*innenunfreundlichen Geschäftspraktiken der Vonovia, müssen dem börsennotierten Wohnungsunternehmen schnellstmöglich ehemals öffentliche Wohnungen entzogen werden.

Es bedarf eines sofortigen wohnungspolitischen Richtungswechsels und eines verantwortungsvollen Umgangs mit städtischen Grund und Boden sowie ehemals öffentlicher Wohnungsbestände, um die Folgen vergangener Fehler einzudämmen. Daher müssen laufende Erbpachtverträge mit der Vonovia gekündigt und ehemals öffentliche Wohnungsbestände in öffentliche Hand überführt werden. Die Wohnungen müssen wieder für eine langfristig mietpreisgebundene und bezahlbare Vermietung zur Verfügung stehen und dauerhaft dem privaten Wohnungsmarkt entzogen werden. Die Mieter*innen in Frankfurt brauchen jetzt eine soziale Wohnungspolitik, die sich am Gemeinwohl orientiert.

DIE LINKE. im Römer

Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende

Antragstellende:

Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
Stv. Pearl Hahn

Dieser Beitrag wurde unter Anträge abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben