Verhelfen wir dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ zu seiner Geltung

33. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Mai 2019

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1850: Wie gedenkt der Magistrat zum Schutz der Mieterinnen und Mieter vorzugehen, wenn tatsächlich größere Wohnungsbestände in Milieuschutzgebieten durch die Gesellschaft Deutsche Wohnen erworben werden?

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Danke schön! Der nächste Redner ist Herr Müller von der LINKE.‑Fraktion. Bitte schön!

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

Frau Vorsteherin,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Finanzinvestoren kaufen in ganz Deutschland Tausende Wohnungen und treiben damit die Mieten nach oben. Sie tun das, um ihren Anteilseignerinnen und Anteilseignern zweistellige Renditen auszuschütten. Unter dem schillernden Wort „Betongold“ verbirgt sich nichts anderes als eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit. Es geht darum, wem die Stadt gehört und wie wir es schaffen, dass Wohnraum für alle bezahlbar wird.

Doch reden wir über die Deutsche Wohnen. Dahinter verbirgt sich ein börsennotierter Konzern, der 15,4 Milliarden Euro Marktkapitalisierung hat, der 170.000 Wohneinheiten besitzt und dessen Aktienkurs sich in den letzten fünf Jahren um 170 Prozent erhöht hat. Das freut die Aktionäre wie Blackrock. Allerdings schmerzt das die Mieterinnen und Mieter, auf deren Rücken diese immens hohen Kursgewinne realisiert und erwirtschaftet wurden. Denn deren Maxime lautet doch: Unser Eigentum verpflichtet zu nichts außer Gewinnmaximierung. Das elementare Recht auf Wohnen ist zu einem Spekulationsobjekt geworden. Das muss gestoppt werden, meine Damen und Herren. Die Marktmacht der großen Immobilienkonzerne schadet der Allgemeinheit.

(Beifall)

Wir erinnern heute an 70 Jahre Grundgesetz. Ja, das ist ein Grund zu feiern. Allerdings ist das auch ein guter Grund, an die darin verfassten Grundsätze zu erinnern. Erinnern wir uns an Artikel 15 Grundgesetz. Es ist nichts anderes als der schlafende Riese unserer Verfassung. Die Väter und Mütter der Verfassung haben zu Recht explizit formuliert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich auch dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ In Zeiten von Mietenwahnsinn, in Zeiten von Ausverkauf unserer Städte muss dieser Grundsatz wieder gelten. Ja, meine Damen und Herren, die Politik hat die Aufgabe, diesem Grundsatz neue Geltung zu verleihen. Deswegen ist die Forderung nach Sozialisierung der Deutsche Wohnen richtig und findet Zustimmung bei den Menschen. Es ist verständlich, es ist notwendig, weil die Politik bislang die Menschen im Stich gelassen hat mit ihrer Angst, die Wohnung zu verlieren, weil Investoren vor der Tür stehen, die nur ein Interesse haben, und zwar Profitmaximierung. Die Menschen wissen, dass es eben nicht gut ist, wenn mit ihrem Wohnraum spekuliert wird. Sie spüren, dass die großen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen, Patrizia Immobilien und Vonovia keine soziale Verantwortung übernehmen können und wollen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Eigentumsfrage stellen. Der Verfassungsrichter Ernst‑Wolfgang Böckenförde hat einen prägenden Satz formuliert: „Die Sicherung unbegrenzter Eigentumsakkumulation ist nicht Inhalt der Eigentumsgarantie.“ Das gilt besonders für das existenzielle Grundrecht von Wohnen.

Verhelfen wir also dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ zu seiner Geltung. Kämpfen wir an der Seite der Mieterinnen und Mieter für bezahlbares Wohnen.

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Herr Müller, bitte kommen Sie zu Ihrem letzten Satz.

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

(fortfahrend)

In diesem Sinne sollten wir in Frankfurt niemals der Deutsche Wohnen den roten Teppich ausrollen, sondern sie in die Schranken weisen.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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