Im Kern dieser Debatte geht es um antimuslimischen Rassismus

33. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Mai 2019

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1851: Die Ausstellung Contemporary Muslim Fashions im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst ist zum Teil scharf kritisiert worden. Wie beurteilt der Magistrat die Kritik an der Ausstellung?

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Danke schön! Die nächste Rednerin ist Frau Hahn von der LINKEN. Sie haben das Wort, bitte schön!

Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:

Bildung ist nicht geschlechtsabhängig. Ich glaube, wir haben alle noch ganz ganz viel zu lernen. Und was die GRÜNEN heute gemacht haben, ist meiner Meinung nach nicht besonders konstruktiv, und es ist tatsächlich Wasser auf den Mühlen der Rechten. Sie haben ja gehört, was jetzt hier rauskam. Ich frage mich weswegen, und wie es dazu überhaupt kommen kann, dass die CDU und die FDP liberaler sind als die GRÜNEN heute Abend.

(Beifall)

Also, worum geht es in dieser Debatte? Warum haben sich die Medien, verschiedenste Akteure und jetzt auch die Politik darauf gestürzt? Lassen Sie uns doch die Debatte beim Namen nennen. Im Kern dieser Debatte geht es nämlich um antimuslimischen Rassismus. Es geht um Männer und Frauen, die hier wie anderswo sich das Recht erlauben zu entscheiden, was Frauen tragen dürfen und was nicht, welche Frauen Kunstschaffende sein dürfen und wie diese Kunst auszusehen hat. Es geht um Sanktionen und nicht um Entscheidungsfreiheit und die Selbstbestimmung der muslimischen Frau. Es geht nicht um den Hidschab, denn sogar wenn jemand bei dieser Ausstellung war, die meisten Ausstellungsstücke tragen nicht einmal einen Hidschab. Es geht nämlich eigentlich nur um eine ganz offensichtliche Sache, nämlich den Versuch, muslimischen Frauen vorzuschreiben, was sie zu machen haben und was nicht.

Der Hidschab alleine hat absolut keine Macht, nicht hier und nicht anderswo. Was Macht verursacht sind Gesetze und enorme Zwänge. Zwänge, einen Hidschab zu tragen oder nicht zu tragen, Probleme, wenn man ihn ablegen mag, aber auch Probleme, wenn man ihn tatsächlich tragen möchte. Wer sich nicht die Frage stellt, weswegen genau diese Debatte, diese Ausstellung medial so groß gemacht worden ist, hat noch dringenden Bedarf zur Reflexion. Wieso reden Sie denn nicht über geklaute Ausstellungsstücke aus der Kolonialzeit, wieso reden Sie nicht darüber, dass Kopftuch tragende Frauen auch in dieser Stadt Gewalt erfahren auf der Straße und belästigt werden? Das Stimmungsbild in diesem Hause ist wahrscheinlich wieder einmal, na ja, es geht da nur um Einzelfälle.

Auf der anderen Seite aber, wenn es um Frauen mit Kopftuch geht, ist das Kopftuch ein universelles Symbol der Unterdrückung. Die ach so schlimmen sexistischen muslimischen Männer, die ach so schwache muslimische Frauen unterdrücken. Dieses Narrativ ist nicht neu. Dieses Narrativ gab es auch in der Kolonialzeit, nämlich „White men are saving brown women from brown men“. Es wird darüber gesprochen in dieser Gesellschaft, ob Kinder fasten dürfen, ob Kopftuch tragende Frauen in Schulen arbeiten dürfen, ob Rechtsanwältinnen mit Kopftuch den Gerichtssaal betreten dürfen, es wird darüber gesprochen, ob Frauen schwimmen dürfen und wenn ja, wie viel Haut sichtbar sein soll. Darum geht es, und das finde ich einfach unverschämt.

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Frau Hahn, auch Ihre Redezeit ist zu Ende. Der letzte Satz.

Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:

(fortfahrend)

Wenn Sie wahrhaftig was machen wollen, bringen Sie Anträge rein, die Migrantinnenverbände und Initiativen unterstützen, emanzipatorische Arbeit zu leisten. Und unterstützen Sie Migrantinnen, Aufklärung zu betätigen, und nicht hier einfach nur …

 

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Vielen Dank, Frau Hahn!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

 

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