Wohnungen, die öffentlich und keine Handelsware sind, sichern das Menschenrecht auf Wohnen

47. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 3. September 2020

Tagesordnungspunkt 11: Energetische Sanierung: Ja! – Mieterinnen- und Mieterabzocke: Nein!

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11., Energetische Sanierung, auf. Zu diesem Thema behandeln wir die Vorlage NR 1075 der LINKE.‑Fraktion. Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Yilmaz von der LINKE.‑Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte!

Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Vorsteher,

meine Damen und Herren!

Wenn wir nicht eineinhalb Stunden über Sauberkeit geredet hätten, hätten wir auch rechtzeitig hier fertig sein können.

Nun zum eigentlichen Tagesordnungspunkt: Im Herbst 2019 verschickte die Nassauische Heimstätte in mehreren Siedlungen Modernisierungsankündigungen. Die drastischen Mieterhöhungen durch Modernisierungen betragen 120 Euro bis 180 Euro pro Monat. Diese Mieterhöhungen können die Bewohner der Adolf‑Miersch‑Siedlung in Niederrad nicht zahlen. Sie erhalten Renten oder arbeiten im Bereich der Geringverdiener.

Die Wohnungsunternehmen oder Vermieter haben gesetzliche Verpflichtungen, Gebäudeinstandhaltungen und notwendige Reparaturen an ihren Liegenschaften durchführen zu müssen. Diese Kosten sind in den Mietpreisen bereits inbegriffen. Ebenso besteht die Verantwortung von Wohnungsunternehmen, die Energiebilanz des Gebäudebestandes stetig zu verbessern. Das muss nicht unbedingt für die Mieter mit erhöhten Kosten einhergehen, vor allem nicht bei öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften.

Die Mieterinitiative in der Adolf‑Miersch-Siedlung hat berichtet, dass Teile der Wohnungen schon vor einigen Jahren renoviert wurden. Die erneute Modernisierung ist scheinbar nur deswegen nötig, weil die Nassauische Heimstätte die Mietpreise erhöhen und alteingesessene Mieter aus ihren Wohnungen verdrängen und gentrifizieren will. Einerseits kündigt die Nassauische Heimstätte einen Mietpreisstopp an, andererseits werden durch die Modernisierungen die Mieten drastisch erhöht. Wo bleibt deren soziale Verpflichtung? Da verliert die Nassauische Heimstätte wirklich an Glaubwürdigkeit.

Sie sitzen doch im Aufsichtsrat, Herr Oberbürgermeister Feldmann, Herr Stadtrat Schneider und Herr Baier. Nicht nur die Landesregierung ist dort vertreten, sondern Sie entscheiden auch mit. Das darf nicht so bleiben. Die Kosten für Maßnahmen zur Energieeinsparung dürfen nicht nur alleine den Mieterinnen und Mietern aufgelastet werden. Solche drastischen Mieterhöhungen durch Modernisierungen sind uns bisher nur von Vonovia und Co., den börsennotierten Wohnungsbaugesellschaften, bekannt. Die Nassauische Heimstätte als öffentliche Wohnungsbaugesellschaft nutzt die Vonovia‑Methoden, um die Mieten zu erhöhen. Das empfinden wir als einen Skandal.

(Beifall)

Dieser Skandal reicht aber weiter. Ein Beispiel aus der Honsellstraße: Eine 72‑jährige Rentnerin wohnt hier seit 40 Jahren. Jetzt soll sie monatlich 190 Euro Modernisierungsumlage zusätzlich zahlen. Ihr heutiger Rentenbezug reicht sowieso nicht zum Leben. Wie soll diese Rentnerin 190 Euro mehr Miete bezahlen? Wer ist der Vermieter? Die Frankfurter Siedlungsgesellschaft mbH. Wem gehörte die Frankfurter Siedlungsgesellschaft? Früher war sie eine gemeinnützige öffentliche Wohnungsbaugesellschaft, nicht gewinnorientiert, sondern Wohnen wurde als Menschenrecht gesehen. Es wurden Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen für die Bevölkerung gebaut. Es war eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft. Sie gehörte dem Bund, dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt.

Jetzt aber gehört sie der börsennotierten Wohnungsbaugesellschaft Vonovia. CDU, SPD, GRÃœNE und FDP – Sie haben alle zugestimmt, dass diese öffentliche Wohnungsbaugesellschaft verkauft wurde. Das finden wir fahrlässig.

Nicht nur die Frankfurter Siedlungsgesellschaft gehört dazu, sondern auch die damaligen gemeinnützigen Gesellschaften wie die Südwestdeutsche Gemeinnützige Wohnungsbau-AG, die gemeinnützige Wohnbau Rhein-Main AG und die Hessen Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft. Jetzt gehören alle diese Gesellschaften zu Vonovia.

Was macht die Vonovia damit? Es ist doch bekannt: nachverdichten, aufstocken, modernisieren und, wenn es anders nicht geht, Aufzüge montieren, die in Zwischenstockwerken halten. Vonovia verfolgt nur ein Ziel, die Mietpreise zu maximieren. Das bedeutet Verelendung, Verdrängung und Gentrifizierung der angestammten Bewohner. Ein aktueller Fall in der Presse am Dienstag: In Vonovia-Wohnungen in Frankfurt-Sachsenhausen stellt das Gesundheitsamt seit 2013 eine extrem hohe Kontamination des Trinkwassers mit Legionellen fest, und das, weil die Vonovia die Ursachen bisher nicht beseitigt hat. Die Mieterinnen und Mieter können sich nicht alleine gegen den Konzern wehren. Warum greift der Magistrat nicht ein, um die Bewohner zu schützen? Wo bleibt eine Entschuldigung der Stadt? Wieso handelt nicht der Magistrat, um die Bewohner vor gravierenden gesundheitlichen Folgen zu schützen? Bis wann schweigt der Magistrat? Ich frage mich wirklich, was macht die Vonovia, dass die Stadt Frankfurt so viel toleriert.

Die Vonovia genießt in Frankfurt unendliche Vorteile und bekommt Rückendeckung von den Magistratsmitgliedern. Sie haben keinen Modernisierungsplan von Vonovia infrage gestellt, alles sofort genehmigt. Vonovia kauft ehemalige gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften auf und profitiert von verpachteten öffentlichen Grundstücken. Vonovia zahlt einen minimalen Erbbauzins mit Pfennigbeträgen. Davon profitieren Börsenanleger, und das alles auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt.

Der Magistrat hat auch bei der Anpassung des Erbbauzinses versagt. Ich frage Sie von CDU, SPD und GRÜNE, Sie kassieren von Genossenschaften und Wohngruppen mindestens 2,5 Prozent des Bodenrichtwertes pro Quadratmeter und Jahr als Erbbauzins, wieso muss die börsennotierte Wohnungsbaugesellschaft nur einen minimalen Erbbauzins von Pfennigbeträgen pro Quadratmeter und Jahr zahlen? Es muss doch umgekehrt sein, und wir werden das ändern.

Wohnungen, vor allem die, die öffentlich und keine Handelsware sind, sichern das Menschenrecht auf Wohnen. Wir brauchen eine Strategieplanung und Umsetzung einer neuen gemeinnützen Liegenschafts- und Wohnungspolitik. Die Mieten müssen wirklich sinken und wir würden auch einen Deckel drauf machen.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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