In Frankfurt geht es vorwärts – im Schneckentempo

22. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 22. März 2018

Tagesordnungspunkt 6.4: Elektro-Offensive für den Frankfurter Westen

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin

Erika Pfreundschuh:

Vielen Dank, Herr Stadtrat Oesterling. Das Wort hat Herr Kliehm von den LINKEN. Ihm folgt Herr Zieran von ÖkoLinX-ARL. Bitte, Herr Kliehm, Sie haben das Wort!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir haben jetzt einige Schuldzuweisungen gehört, warum es in Frankfurt zu langsam vorangeht. Die Automobilindustrie ist schuld, die EU ist schuld, Merkel ist schuld, Klaus Oesterling ist schuld. Aber ich darf daran erinnern, dass wir vor Klaus Oesterling eine Reihe von grünen Verkehrsdezernenten hatten. Von daher verwundert es jetzt nicht, wenn es langsam vorangeht.

(Zurufe)

Die Koalition hat nur sechs Monate benötigt, um den Antrag der LINKEN etwas zu präzisieren. Von daher entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der Antrag der Koalition überschrieben ist mit „Mehr Tempo bei der Verbreitung von E-Mobilität in Frankfurt“. Eugen Emmerling hat es gesagt, in Frankfurt geht es vorwärts, aber ich fühle mich manchmal daran erinnert, dass es ein Schneckentempo wie bei Mainversand ist.

In Ihrem Antrag haben Sie tatsächlich ein paar Punkte genannt: E-Bus-Strategie, eine Beschaffungsinitiative, ein Pilotprojekt für Taxis – dazu hatten wir auch einmal einen Antrag -, Umstellung des städtischen Fuhrparks, Ausbau der Ladeinfrastruktur, E?Bikes und Pedelecs und Anreize für Handwerker- und Lieferdienste.

Wem dieser Antrag der Koalition vom März 2018 jetzt irgendwie bekannt vorkommt, der soll doch einmal in die Entschließung der Stadtverordnetenversammlung vom Mai 2009 schauen. Da hat die Stadt Frankfurt nämlich beschlossen, dass Frankfurt 2009 zum Vorreiter auf dem Gebiet der Elektromobilität wird. Im Jahr 2010 hat dann die Wirtschaftsförderung Frankfurt zusammen mit dem Magistrat, der Landesregierung und der Wirtschaft ein Strategiepapier entwickelt mit dem glorreichen Titel „Elektromobilität im Jahr 2025 in Frankfurt“. Klaus Oesterling, so viel zu den Ankündigungen für 2022 bis 2030.

In diesem Papier sind alle Punkte, die Sie in Ihrem Antrag genannt haben, schon enthalten, und noch viel mehr, inklusive zum Beispiel die Blaue Plakette. Passiert ist aber fast nichts. Passiert ist, dass Petra Roth und Markus Frank zusammen auf Fotos posiert haben, was Sie sonst gerne Peter Feldmann vorwerfen. Sie haben zum Beispiel zusammen posiert, als 2010 die erste Ladestation im Parkhaus Börse eröffnet wurde: „Im Laufe der nächsten beiden Jahre werden 25 weitere folgen“, sagte damals der Mainova-Vorstand Dr. Marie-Luise Wolff. Acht Jahre später haben wir nicht 26 Stationen der Mainova, sondern 18, sofern sie nicht kaputt sind. Diese sind zudem minderwertig ausgestattet. Sie haben eine Ladeleistung von elf bis 22 Kilowatt. State of the Art sind momentan 50 Kilowatt, damit es ordentlich lädt.

Wir haben in Frankfurt 18 Ladestationen der Mainova, hinzu kommen noch 18 weitere private. 2016 sieht man Markus Frank dann auf einem Foto posieren vor der Alten Oper, als dann endlich die ersten 35 Elektroautos im städtischen Fuhrpark gelandet sind, und im April 2016 gibt es ein schönes Foto von Markus Frank auf einem E-Bike in der Klassikstadt, da hat er E-Bikes für sich entdeckt. Übrigens, in diesem Strategiepapier von 2010 waren auch schon Radschnellwege genannt. Jetzt kommen wir langsam dorthin.

Während Frankfurt kaum zehn Jahre später 36 Ladestationen im Stadtgebiet hat, gibt es in Amsterdam in diesem Jahr 4.000 Ladestationen. Jeden Monat kommen in Amsterdam 25 Ladestationen hinzu, also das, was die Mainova innerhalb von zwei Jahren machen möchte, schafft man in Amsterdam in einem Monat. Da frage ich mich, warum wurde 2010 überhaupt die ABGnova GmbH gegründet, wenn sie es nicht schafft, das zu leisten, was andere Städte in einem Monat schaffen?

(Zurufe)

Sie müssen sich tatsächlich an Ihren Zielen messen lassen, unter anderem an diesem Strategiepapier 2010. Das haben Sie sich letztlich selbst aufgegeben. Darin steht zum Beispiel, hören Sie genau zu: „2020: einfache alltägliche Nutzung multimodaler Mobilitätsketten mit einem Schwerpunkt auf Elektromobilität (Mobilitätskarte)“. Das war das, was wir neulich auch gefordert haben, dass man mit seiner RMV-Karte vielleicht auch einmal ein Mietfahrrad leihen kann.

(Beifall)

Weiter steht darin: „E-Mobilität wird in den Gesamtverkehrsplan 2015 bis 2025 aufgenommen“. Tatsächlich gibt es keinen Gesamtverkehrsplan, aber es gibt diese Mobilitätsstrategie aus dem Jahr 2015, in der dreimal das Wort „E-Mobilität“ erwähnt ist, aber passiert ist nichts, außer Fotos mit Markus Frank. „2025″, so steht es darin, „sind zehn Prozent des automobilen Verkehrsaufkommens in Frankfurt elektrisch betrieben. Frankfurt verfügt über ein leistungsstarkes, differenziertes und flächendeckendes Netz an öffentlichen und privaten Ladesäulen“. So der Plan bis zum Jahr 2025. Vielleicht schaffen Sie es ja noch, 4.000 Ladestationen bis dahin zu bauen.

Lieber Klaus Oesterling, „im Jahr 2025 beträgt der Anteil des emissions- und lärmarmen Verkehrs“ – nicht nur der Busse – „innerhalb des Anlagenrings über 50 Prozent“. Damit ist nicht gemeint, dass 50 Prozent der Busse emissionsarm fahren, sondern 50 Prozent des Verkehrs. Bis 2025. Haltet euch ran.

In der Mobilitätsstrategie 2015 wurden außerdem mehrere messbare Etappenziele bis 2030 vorgegeben für eine sozial gerechte und ökologisch erträgliche Mobilität. Papier haben wir genug, Fotos mit Markus Frank haben wir auch genug. Was wir benötigen, das haben Sie selbst in Ihrer Mobilitätsstrategie definiert, dort heißt es, „Die Ansprüche an Mobilität und Lebensqualität verändern sich. Straßen und Wege sind nicht mehr nur Funktionsflächen, sondern sollen Straßen zum Leben sein“. Handeln Sie endlich.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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