Soziale Sicherheit muss im Mittelpunkt stehen – dafür sorgt DIE LINKE.

9. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Januar 2022:

 

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

Frau Vorsteherin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Busch, Sie haben gesagt: „das Machbare machen“. Das ist also das wenig ambitionierte Programm dieser Regierungskoalition. Wenn ich mir dann angucke, was Sie bereits gemacht haben, dann sage ich einmal ganz ehrlich, Sie haben Dinge gemacht, die auf Basis und Initiative der LINKEN. passiert sind. Zum Beispiel „Musikbunker“, da gaben wir die Initiative, dass da etwas getan wird. Das Ergebnis momentan ist noch halbherzig. Dann „Menstruationsprodukte kostenfrei“, der erste Antrag kam von der LINKEN. in der vergangenen Wahlperiode. Dann der Antrag „Kulturfonds einrichten für Not leidende Kulturschaffende“, der Antrag kam von uns. Die erste Intervention kam von uns. Und dann feiern Sie sich jetzt für den sicheren Hafen, da bleiben Sie auf halber Strecke stehen, da gibt es noch Nachholbedarf. Es sind also Projekte, die Sie hier als Erfolg verkaufen, die gar kein Erfolg sind. Ich muss Ihnen schon sagen, wenn Sie von „echter Realität“ sprechen, es gibt eine Realität in dieser Stadt. Deswegen möchte ich jetzt zu Beginn ein bisschen den Fokus weiten, ein bisschen weg von den einzelnen Personalentscheidungen und hin dazu, wie es den Menschen eigentlich geht in dieser Pandemie, weil wir immer noch mitten in der Pandemie sind. Das Erschreckende ist doch, dass sich überdurchschnittlich viele Menschen aktuell mieser fühlen als vor zwei Jahren. Die Situation der Menschen ist schlecht. 71 Prozent der Deutschen sagen, die Situation ist viel belasteter als vorher und nur einem Prozent geht es besser. Am stärksten betroffen sind junge Menschen. Die Menschen blicken sorgenvoll in die Zukunft. Sie haben Sorge, sie wollen Sicherheit, sie wollen soziale Sicherheit, und da finde ich es schon bemerkenswert, dass von den Vorrednerinnen und Vorrednern kaum bis gar nicht über die soziale Sicherheit und die soziale Situation der Menschen gesprochen wurde. Das ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen, soziale Sicherheit in Frankfurt zu gewährleisten, und da werden Sie eine Leerstelle bleiben in dieser Koalition.

(Beifall)

Es ist doch so, dass immer mehr Menschen in Frankfurt in Armut leben. Im ersten Coronajahr 2020 ist der Anteil der Menschen in Armut gestiegen. In Frankfurt ist jede zehnte Seniorin und jeder zehnte Senior über 65 Jahren auf Unterstützungsleistung angewiesen, weil die Rente nicht reicht. Dann sage ich Ihnen auch nichts Neues, dass es jetzt für Kulturschaffende immens schwierig wird, Mietzahlungen zu leisten. Die sagen mir, dadurch, dass die Nebenkosten und die Energiepreise steigen, wird alles immer schwieriger. Wir reden auch zu wenig über den Niedriglohnsektor. Wissen Sie, was ein Rider bei Gorillas verdient? Der verdient keine zwölf Euro Mindestlohn. Nein, er kriegt zehn Euro, wenn es hochkommt, und die wollen 15 Euro. Da verlange ich ein Plädoyer auch dieser Stadtregierung, sich endlich mit den sozialen Notwendigkeiten zu beschäftigen.

Es gibt soziale Sicherheit, aber ein wichtiger Sicherheitspunkt ist Bildung, und in der Bildungspolitik fehlt es dieser Stadtregierung seit Jahren an der notwendigen Vehemenz. Ehrlich, Frau Ursula Busch, zu sagen: „Digitalisierung machen wir jetzt schon.“ Es ist schon schwierig, wenn man sich das im Jahr 2022 eingestehen muss, da haben Sie die letzten Jahre versagt, und es war auch leider Gottes die Schuld der Bildungsdezernentin. Das Debakel mit WLAN war beschämend. Über weite Teile Frankfurts hinaus haben sich die Menschen totgelacht, und selbst im letzten Winkel des Bayerischen Walds gab es WLAN an Schulen, als hier in Frankfurt die Schülerinnen und Schüler sich noch irgendwie über ihre eigenen Hotspots eingewählt haben. Das ist doch ein Versagen Ihrer Bildungspolitik gewesen. Zum Thema Schulsanierung war und bleibt auch so vieles im Argen. Gehen Sie doch zum Beispiel mit mir einmal in die Münzenbergerschule, wie schwierig es da für die Schülerinnen und Schüler ist. Wie die Lage da ist und wie die Gebäude ausschauen. Ja, das ist ein Investitionsstau, und ja, der ist seit Jahren da, aber wer trägt denn auch seit Jahren die Verantwortung? Also auch hier liegt in der Bildungspolitik sehr vieles im Argen.

Dann komme ich noch zu einem Vorschlag, den wir gemacht haben, wo es aber in der Koalition auch nicht den Willen gibt, den umzusetzen. Wie wäre es denn mit einem kostenfreien Mittagessen für alle Schülerinnen und Schüler? Wie wäre es denn mit der Rekommunalisierung der Essensversorgung an den Frankfurter Schulen? Das wäre eine Weichenstellung hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, die nicht kommt mit dieser Koalition. Stattdessen weitere Ausschreibungen und weitere Debatten über Biostandards. Machen Sie es lieber selbst, nehmen Sie es selbst in die Hand, das wäre besser. Aber es geht natürlich nicht so einfach in dieser Koalition, weil diese Maßnahmen Geld kosten, und im Bildungsbereich fehlt es seit Jahren an Geld. Diese neue Stadtregierung wird natürlich die finanziellen Mittel nicht haben, weil die Sollbruchstelle doch die ist, dass Sie sich mit den Liberalen quasi eine Steuersenkungspartei ins Boot geholt und Sie sich selbst der Mittel beraubt haben, eine soziale Politik durchzusetzen. Außerdem ist doch die Grundfrage, und da knüpfe ich an den Kollegen Kößler an, dass es in dieser Stadtregierung keinen Kompass gibt, der muss sozial ausgerichtet werden, aber es wäre schön, wenn Sie zumindest einmal einen Kompass in die Hand nähmen, damit Sie in die richtige Richtung laufen. Aber selbst das passiert doch nicht. Dabei braucht es mehr Orientierung denn je vor dem Hintergrund der Pandemie.

Ich frage auch – da sagen Sie aber nichts dazu als Stadtregierung -, wie es denn sein kann, dass in Wien kostenfreie PCR‑Testungen stattfinden und wir in Frankfurt nicht einmal ein klares Bild über das Infektionsgeschehen haben. 6.500 Meldungen Rückstand gibt es. Da ist doch auch etwas im Argen.

(Zurufe)

Nein, Herr Pürsün, schuld sind auch Sie, weil Sie mitregieren. Das werde ich Ihnen die nächsten fünf Jahre ständig um die Ohren hauen. Und insgesamt ist es halbherzig, wie Sie agieren, weil es ein Move, den Sie ständig machen, ist, auf die Vorgängerregierung zu verweisen. Schuld ist jetzt immer der Herr Schneider. Ja, er war schuld. Schuld war auch die CDU, weil sie zu lange regiert hat. Aber Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen, früher war nur die CDU schuld. Wie lange regieren die GRÜNEN denn schon in dieser Stadt? Dann zu sagen, jetzt entsiegeln wir den Paul‑Arnsberg-Platz, das ist ein riesiger Erfolg. Wer hat ihn den versiegelt? Das waren doch die GRÜNEN. Das ist doch grotesk, wie Sie sich hier quasi die Welt schönreden, liebe GRÜNE.

Wenn ich jetzt zur FDP kommen darf. Da sind die penetranten Rufe nach Gewerbesteuersenkung, die da laut werden. Das ist aber auch das Ignorieren von Stimmen von sozialen Initiativen, Gewerkschaften und von Sozialverbänden. Hier dominiert die liberale Ignoranz in dieser Stadtregierung. Und ein letzter Punkt, ich möchte nämlich nicht zu lange reden, weil das …

(Beifall)

… ist noch die Bildungspolitik, wenigstens da klatschen Sie. In der Bildungspolitik ist es doch auch so, dass wir hier das ganze System krisenfester machen müssen. Dass die Kulturschaffenden besser aus der Krise kommen, und da warne ich eben davor, dass sich diese Regierung auf den Leuchtturm Städtische Bühnen konzentriert, dass man sich darauf konzentriert und im Fahrwasser dessen die ganzen Kulturschaffenden, die Soloselbstständigen, aber auch die Bühnenarbeiterinnen und Bühnenarbeiter vergisst. Alle, die da dranhängen, die jetzt unter Corona leiden. Von daher ist es doch auch ein Armutszeugnis, wenn der Notfallfonds nur mit 200.000 Euro aufgefüllt wird, dann ist er sofort erschöpft und dann muss die Dezernentin sich aus dem eigenen Etat wieder das Geld holen und dieser Notfallfonds wird wieder erschöpft sein. Sie müssen strukturell die Bedingungen verbessern für die Kultur in dieser Stadt, und das, glaube ich, wird auch mit dieser Regierung nichts werden.

(Beifall)

Ich komme zum Schluss, es ist immer noch so, dass es noch viel über die soziale Situation zu sagen gäbe. Wir werden nächsten Monat den Haushalt diskutieren und da gibt es die Nagelprobe. Da wird es spannend werden, weil daran wird es hängen. Ich sage Ihnen, Sie werden nicht in der Lage sein, einen sozialen Haushalt aufzustellen, und daran ändert auch nichts, dass Sie jetzt drei Dezernentinnen und Dezernenten erneut ins Amt wählen. Sie können sich sicher sein, dass wir als LINKE. diese Wahl nicht unterstützen, weil nämlich dann diese drei neuen Dezernentinnen und Dezernenten, die jetzt gewählt werden, Teil einer falschen Mannschaft sind, die natürlich ohne Kompass nicht sozial orientiert agieren wird, und deswegen gibt es dafür von uns keine Zustimmung.

Vielen Dank!

(Beifall)

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Michael Müller, Reden abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben