Rassismus konsequent bekämpfen – M- und N-Wort ächten!

9. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Januar 2022:

 

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

Herr Vorsteher,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte ein bisschen historisch in meine Rede einsteigen. Der Begriff des N wurde im Zug der Entwicklung der Rassentheorie im 18. Jahrhundert in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch integriert. Dieser Begriff sollte alle südlich der Sahara lebenden Afrikanerinnen und Afrikaner kategorisieren und wurde während des europäischen Kolonialismus geprägt. Diese Verknüpfung mit rassentheoretischen Denkweisen zeigt, dass dieser Begriff von Anfang an kein neutrales Wort darstellte. Die Kategorisierung von Menschen als N bedeutete dabei nie bloß die wertfreie Feststellung der dunklen Hautfarbe. Vielmehr war und ist dieser Begriff mit vermeintlichen Eigenschaften verbunden gewesen. Der N sei primitiv, animalisch, ignorant, faul, chaotisch et cetera. Untrennbar mit dem N‑Wort verbunden ist also das Bild eines minderwertigen Menschen, eines Menschen minderer Würde. Ja, man hat sogar das Menschsein generell in Abrede gestellt.

Die Verwendung dieses Wortes perpetuiert diese Vorstellung über schwarze Menschen bis heute, und genau deshalb müssen wir heute darüber reden. Zu behaupten, wie manche es tun, es handele sich dabei lediglich um eine neutrale Bezeichnung, verkennt a) den geschichtlichen Hintergrund des Begriffes und b) – was noch viel schwerer wiegt – die Bedeutung und die Funktion von Sprache, denn der Begriff hat für schwarze Menschen reale Auswirkungen und ist somit natürlich nicht nur auf rhetorischer Ebene zu betrachten. Er impliziert dabei immer auch mehr als eine einfache Beleidigung. Als N bezeichnet zu werden, bedeutet, dass man aufgrund seiner bloßen Existenz als schwarzer Mensch eine Angriffsfläche darstellt, an der sich Menschen vorbehaltlos auslassen können. Dieser Begriff vermittelt die Minderwertigkeit der eigenen Person. Deshalb ist es an der Zeit, die Begriffe N und M zu ächten.

Dabei wissen wir alle, dass es damit nicht getan ist. Wir brauchen ein stärkeres Engagement gegen Rassismus, aber das kann keine Antwort darauf sein, die Wörter nicht zu ächten. Ich komme auch zur Menschenwürde. Die Menschenwürde im Artikel 1 des Grundgesetzes impliziert einen sozialen Achtungsanspruch, der jedem Menschen aufgrund seiner Eigenschaft als Mensch zusteht. Das Bundesverfassungsgericht konkretisiert das Ganze und sagt: Es muss mehr als eine bloße Ehrverletzung vorliegen, vielmehr muss der Person „das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt werden“. Genau das bedeutet das N‑Wort für Betroffene. Deswegen müssen wir einen sensibleren Umgang damit finden.

Ein weiterer Faktor, der vom Kollegen Wehnemann angesprochen wurde, ist, dass wir uns insgesamt mit dem Thema Rassismus beschäftigen müssen und somit auch mit den M- und N‑Wörtern. Genau die Resolution, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits im Dezember 2013 beschlossen hat, nämlich, dass unsere Gegenwart die Dekade der Menschen afrikanischer Abstammung sei, verpflichtet uns. Ziel dieser Dekade – der sich übrigens Deutschland verpflichtet – ist die Förderung der Achtung, des Schutzes und der Einhaltung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Förderung einer besseren Kenntnis und Achtung des Erbes der Kultur und des Beitrags von Menschen afrikanischer Herkunft zur Entwicklung unserer Gesellschaft, unserer Gegenwart und unseres Daseins, somit insgesamt der Schutz vor Rassismus und Diskriminierung. All dem werden wir mit diesem Antrag gerecht. Es wurde auch schon gesagt, dass Frankfurt hier Städten wie Köln und Kassel folgen könnte. Denn in beiden Kommunen wurden – und ich muss es Ihnen sagen, nur die Nazis von rechts stimmten dagegen – diese Anträge mit übergroßer Mehrheit angenommen, und das war ein verdammt starkes Zeichen in Köln und in Kassel.

Deswegen bitte ich Sie, liebe Koalitionäre, nicht zu zaudern und Haltung zu zeigen. Ich bitte Sie auch, sich an dieser Debatte zu beteiligen. Stimmen Sie diesem wichtigen Antrag zu, dafür gibt es eine parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheit. Wenn Sie jetzt schweigen und nicht reden, senden Sie die falschen Signale. Wir beantragen die namentliche Abstimmung.

Vielen Dank!

(Beifall)

 

 

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