Sozialökologische Verkehrswende

Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

werte Kolleg:innen!

 

Es ist wieder heiße Wahlkampfzeit in Frankfurt. Nachdem nun Uwe Becker nicht mehr die ganze Zeit auf Dinge zeigt, machen andere Vertreter:innen der CDU mit zwielichtigen Positionen auf sich aufmerksam. Es ist ein gefährliches Spiel mit Fake News, in denen gezielt Unwahrheiten verbreitet werden und in denen Ängste geschürt werden.

 

Ja, Politik muss sich natürlich fragen lassen, was sie dafür getan hat, die Menschen auf notwendige gesellschaftliche Veränderungen rechtzeitig, offen und ehrlich vorzubereiten. Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe beispielsweise sind Handlungen zur gesellschaftlichen Gefahrenabwehr, um noch viel größere Schäden für die Spezies Mensch abzuwenden. Das ist nicht ideologisch, das ist schlicht eine Güterabwägung. Über die darf gestritten werden. Doch das geschieht oft nicht mit offenem Visier. Der Debatte fehlt es oft an der Redlichkeit der Akteur:innen, und so kann gesellschaftlicher Dialog dann nicht gelingen.

 

„Die Menschen mitnehmen“ das ist eine nette Floskel, besonders wenn der Ausspruch unterstellt, man müsse alle Menschen überzeugen können. Ein Blick zurück zeigt, dass es gegen gesellschaftliche Veränderungen immer lautstarke und emotional gezeigte Widerstände gab, auch gegen solche, die heute gewiss niemand wieder rückgängig machen wollen würde: die Einführung der Fußgängerzone in den Fünfzigerjahren zum Beispiel, die zwangsweise Einführung der Sicherheitsgurte im Auto in den Siebzigerjahren, das Rauchverbot in Gaststätten 2008. Immer wurden die Debatten erbittert und oft mit fadenscheinigen und vorgeschobenen Argumenten geführt. Doch am Ende war die Zustimmung überwältigend. Redlichkeit in der Debatte ist ein wichtiges Stichwort.

 

Versuchen wir es redlich, vieles ist schon gesagt worden. Die CDU hat den Beschluss zum Radentscheid, auf dessen Grundlage die Umgestaltung im Oeder Weg nach entsprechender Beratung und Beschlussfassung im Ortsbeirat vorangetrieben wurde, mitgetragen. Wegen der CDU werden nur temporäre Maßnahmen ergriffen. Es gibt eine Begleitstudie, es wird eine Evaluation geben. Rettungseinsätze sind nicht gefährdet, wie die Branddirektion eindrücklich im Mobilitätsausschuss beschrieben hat, die sich übrigens auch wünschte – und das ist auch nur vom Kollegen Huber kurz angesprochen worden -, es wären weniger Pkw auf den Straßen in Frankfurt unterwegs. Klartext: Es geht nicht darum, dass sich irgendwer nach einem Verbot des Individualverkehrs sehnt oder dass irgendwer Autos verbietet. Jede Adresse im Oeder Weg oder meinetwegen auch in der Cronstettenstraße ist weiterhin per Auto erreichbar. Es ist einfach so, dass es ohne eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs schlicht nichts mit dem Klimaschutz im Verkehr wird. Bleibt die Zahl der Pkw gleich hoch oder steigt sie weiter an, dann war es das mit dem Klimaschutz im Verkehr, egal wie viele davon E-Autos sind.

 

Übrigens ist es interessant, ich weiß nicht, ob Sie es heute im Pressespiegel gesehen haben, dass die Umweltdezernentin dieser Tage mit Herrn Caspar von der IHK auf dem Podium gesessen hat. Da musste Frau Heilig zugeben, ich zitiere: „Wir werden das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 nicht erreichen.“ Der IHK-Chef, übrigens bekannterweise einer mit CDU-Parteibuch, ist der gleichen Meinung wie die Kolleg:innen der CDU hier: Einfach die Leute machen lassen. Nur hat das bisher auch nicht geholfen. Lassen Sie uns ehrlich sein: Außer in sehr wenigen Gegenden, vielleicht in den Innenstädten der Großstädte, gibt es keine politischen Mehrheiten für eine echte Verkehrswende, eine, die mit wirksamen Maßnahmen den Autoverkehr einschränkt.

 

Natürlich ist die übergroße Mehrheit der Menschen für Klimaschutz, aber viele dann doch eben nicht so, dass man dadurch selbst Einschränkungen erleidet. Zum eigenen Verzicht ist nur circa ein Drittel der Menschen bereit. Der Kulturkampf um den Klimaschutz tobt. Der Riss geht nicht nur mitten durch unsere Städte – nein, er durchzieht die ganze Gesellschaft. Wenn man sich die aufgeheizte Debatte ansieht mit oftmals zugegebenermaßen unterdrückter Wut, die manchmal auch nicht unterdrückt wird, wie wir es heute auch schon erlebt haben, wenn man dann doch betrachtet, wie man angebrüllt wird, wenn man es wagt, laut über zu viele Autos nachzudenken, dann zeigt sich doch, wie sehr das Auto Symbol und Fetisch ist.

 

Ich würde mir wünschen, dass wir weniger über Modalfilter sprechen, sondern darüber, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen: hin zu lebenswerten, inklusiven und menschengerechten Aufenthaltsräumen in unseren Städten, dass wir positiv über eine veränderte Zukunft reden, an deren Anfang wir gerade stehen. Dazu gehört die Einsicht, dass die Schaffung von Begegnungsräumen für Jung und Alt und auch der Lärmschutz durch weniger Autoverkehr ohne eine strukturelle Neugestaltung unserer Mobilität kaum möglich sein wird, dass wir Raum umverteilen und Mobilität neu denken müssen. Dazu gehört auch, den Menschen die Angst zu nehmen und eben nicht, sie zu schüren, die Angst davor zu nehmen, dass sie abgehängt werden oder sich Mobilität nicht mehr leisten können, und uns miteinander auch klar darüber zu sein, dass wir für Veränderung keine Zeit zu verlieren haben.

 

Für die LINKE. kann ich sagen, dass wir die sozialökologische Verkehrswende wollen. Wir stehen für den mobilitätspolitischen Wandel, mehr Mobilität bei weniger Verkehr. Was wir uns vorstellen, soll ökologisch, sozial und unkompliziert für alle sein. Es ist völlig klar und es liegt allen auf der Hand, dass der Umweltverbund massiv ausgebaut werden muss, um das Auto in Stadt und Region weitgehend zu ersetzen, da, wo es möglich ist. Öffentlicher Raum und Grünfläche sind knapp und saubere Luft ist zu wertvoll, um sie zu opfern. Deswegen ist es für uns vom Schlagwort her ganz klar: S‑Bahn statt SUV‑Wahn.

 

Eins noch an die Kollegen von der CDU: Wenn Sie keine politisch gestalterischen Ideen zur Mobilitätswende haben, tun Sie uns doch bitte einen Gefallen, dann lassen Sie es, dann überlassen Sie es den anderen und versuchen Sie zumindest im Privaten zum Klimaschutz beizutragen.

 

Vielen Dank!

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