Guter und verlässlicher ÖPNV nur mit guten Arbeitsbedingungen

Rede während der 28. Plenarsitzung am 1. Februar 2024

Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:

 

Werte Frau Vorsitzende,

werte Kolleg:innen!

In Frankfurt fährt die VGF, wie wir es soeben gehört haben, gerade einen ehrlichen, das heißt einen ausgedünnten, einen leistungseingeschränkten Fahrplan. Grund hierfür ist, dass die vorhandene Personaldecke im Fahrdienst nicht mehr ausreicht, um den von der traffiQ auferlegten Fahrplan zu erfüllen. Wir können den Status quo nicht mehr halten. Mehrbelastung durch Ãœberstunden, ein erhöhter Krankenstand, Beschäftigte, die hinschmeißen, weil die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind, zu wenig neues Personal, das rekrutiert werden kann und dann oft auch nicht lange bleibt – es ist ein Teufelskreis. Wenn man 24 Stunden an sieben Tagen die Woche, an 365 Tagen im Jahr im Einsatz sein soll, egal ob am Wochenende oder feiertags, dann überlegt man sich, ob es bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage nicht doch möglich ist, sich umzuorientieren.

 

Das Lamento über den allgemeinen Fachkräftemangel ist groß, überall fehlt Personal und das betonen auch die Verkehrsunternehmen immer wieder. Nur, nach vielen Gesprächen mit Beschäftigten im Fahrdienst will ich eines klar sagen: Solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern werden, wird es keine Verbesserung der Situation geben. Es gibt Gründe, warum die Personaldeckung schon seit Langem schwierig ist: die strapaziösen Arbeitszeiten mit geteilten Diensten, nur alle fünf Wochen ein zusammenhängendes Wochenende frei, der Stress und das ständige Gehetztsein, um mal drei Minuten Zeit zu haben, auf die Toilette zu gehen, was du aber nicht tust, weil du ohnehin verspätet bist und die Kollegen schon drängen. Die psychischen Belastungen, die gesundheitlichen Folgen der Arbeitsbedingungen sind immens. Nicht nur die Frage der Gewinnung des neuen Personals muss im Fokus aktueller und zukünftiger Maßnahmen stehen, sondern insbesondere die Bindung des vorhandenen Personals, konkret: die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, des Gesundheitsschutzes und der Vereinbarkeit mit dem Privatleben. Es benötigt höhere Löhne, gerade in den unteren Lohngruppen, eine Wertschätzung langer Betriebszugehörigkeiten und eine Verkürzung der Arbeitszeit.

Einen guten und einen verlässlichen ÖPNV wird es nur geben, wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern. Ich bezweifle stark, dass wir bis zur Fußball-EM den Zustand ändern. Solange sich die Rahmenbedingungen und Dienstpläne nicht ändern, wird es keine Verbesserung geben. Eine Verkehrswende sowie eine Verdopplung des ÖPNV bis 2030, wie von der Bundespolitik gewünscht, wird unter diesen Umständen schlicht und einfach nicht stattfinden.

 

Wenn die Situation sich nicht grundsätzlich ändert, werden in Zukunft die Leistungen und Angebote den Personalständen der kommunalen Verkehrsunternehmen angepasst werden müssen. Es muss völlig klar sein, dass die Verkehrswende eine echte Arbeitswende im Verkehr benötigt. Natürlich gilt die Tarifautonomie. Deswegen müssen sich die Arbeitgeber – und hier spreche ich Dr. Bergerhoff in seiner Rolle als Präsident des kommunalen Arbeitgeberverbandes Hessen direkt an – in dieser Tarifrunde bewegen, um vernünftig bezahlte, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, die in der Konkurrenz zum jetzigen Arbeitsmarkt bestehen können. Die Streikenden der VGF, sie bringen uns zur Schule, zur Arbeit, zu den Ärzt:innen, von der Party nach Hause, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, egal ob Feiertag oder nicht. Wir sind auf sie angewiesen und sie auf uns. Es ist an uns als Stadtverordnetenversammlung und an Ihnen als Magistrat, die Rahmenbedingungen zu schaffen: für Mobilität für alle und vor allem für gute Arbeit für die Beschäftigten im ÖPNV.

 

Danke schön!

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