AWO ist die Selbsthilfe der Arbeiterschaft nicht die einer korrupten Elite

38. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 12. Dezember 2019

Tagesordnungspunkt 5: Aufklärung und Transparenz unterstützen

 

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Müller von den LINKEN. Bitte schön!

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

Herr Vorsteher,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir befinden uns jetzt mitten in einer Generaldebatte, und der Vorteil einer Generaldebatte ist ja, dass man alles sagen kann, alles wird vermischt, alles vermengt sich hier im Raum, aber es führt oft nicht weiter. Ich glaube, wir sind gerade an so einem Punkt, an dem wir nicht weiterkommen. Ich möchte einmal daran erinnern, dass die AWO vor 100 Jahren gegründet wurde, und ich sage ganz offen, es ist gut, dass es die AWO seit 100 Jahren gibt, und ich hoffe, es gibt sie noch viele weitere Jahre.

(Beifall)

Jetzt werde ich anknüpfen an Bernhard Ochs, der gern die Historie zitiert. Ich habe einmal geschaut, Friedrich Ebert hat einmal gesagt, das Motto der AWO ist „Arbeiterwohlfahrt ist die Selbsthilfe der Arbeiterschaft“. Ja, aber Arbeiterwohlfahrt darf nicht die Selbsthilfe einer korrupten, einer sich bereichernden Elite sein, einer Funktionärsschicht, die sich zu Unrecht bereichert hat. Das müssen wir sagen, und es darf auch nicht sein, dass die Arbeiterwohlfahrt die Selbsthilfe für manche ist, die nicht einsehen, dass sie Fehler gemacht haben. Das ist nicht die Arbeiterwohlfahrt, wie ich sie mir vorstelle und wie sie sich wahrscheinlich die 333.000 Mitglieder vorstellen. Denn es wurde auch nicht erwähnt bislang, Herr Ochs hat es gesagt, die Arbeiterwohlfahrt ist viel mehr als 400-PS-Boliden, sie ist viel mehr als absurd hohe Gehälter, die ich kritisiere, sie ist viel mehr als Intransparenz. Die Arbeiterwohlfahrt ist für viele Menschen in dieser Stadt auch der letzte Anker, der ihnen hilft, und eine Anlaufstelle. Die Arbeiterwohlfahrt ist für viele Seniorinnen und Senioren die einzige soziale Interaktion, das muss man auch sagen in dieser Debatte, das darf nicht zu kurz kommen, auch wenn es die schärfsten Kritiker von rechts negieren wollen, da müssen wird dagegenhalten. Die Arbeiterwohlfahrt ist mehr als das, was jetzt in den Überschriften steht, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Dennoch und gerade weil die AWO so wichtig ist, als Anker der Wohlfahrtsverbände, als Wohlfahrt im besten Sinne, muss man alles tun, um aufzuklären. Und, Herr Peter Feldmann, Sie hatten heute zu Beginn die Chance, einen wichtigen Schritt zur Aufklärung beizutragen. Ich bin der Meinung, Sie hätten hier mehr liefern müssen. Ich fand Ihren Auftritt noch nicht überzeugend, ich glaube auch, dass Sie sich nicht, sagen wir mal, in der Angemessenheit geäußert haben. Sie haben gesagt, ihr aufgedecktes Kommunikationsverhalten wäre zurückhaltend. Das war nicht zurückhaltend, das war falsch! Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten einfach einmal gesagt: Es war falsch! Sie hätten vielleicht dann auch verhindert, dass wir hier eine Debatte bekommen, in der alles mit allem vermischt wird, wo die Kommunalwahl über allem schwebt.

Teilweise, wenn ich Herrn Pürsün anschaue, sind von Ihnen Beiträge gekommen, die unter der Gürtellinie waren. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, wenn Sie jetzt hier sagen, das ist der größte Skandal seit 30 Jahren in Frankfurt, dann frage ich Sie, wie stumm waren Sie denn bei NSU 2.0, wie stumm waren Sie bei den Angriffen auf eine Frankfurter Anwältin? Da haben Sie nichts gesagt, und deswegen sollten Sie vorsichtig mit diesen absoluten Behauptungen sein, dass das der schlimmste Skandal seit 30 Jahren ist, das ist er nicht, meine Damen und Herren! Und was Sie betreiben, dient nicht der Aufklärung, Herr Pürsün. Nein, weil Sie nämlich das Kind mit dem Bade ausschütten, Sie vermengen alles, Sie verhindern letztlich die neutrale Aufklärung mit diesen absurden, überzogenen Debattenbeiträgen und mit Ihrer übersteigerten Motivation. Und Herr Popp, Sie haben gesagt, eines ist klar geworden, das kann es noch nicht gewesen sein, das fürchte ich auch. Die Debattenbeiträge jetzt haben uns doch gezeigt, dass es weitergehen wird, weil viele das hier für die Vorbereitung der Kommunalwahl missbrauchen, wenn die BFF schon schwadroniert, na ja, wir könnten den Oberbürgermeister aus dem Amt kegeln, indem sie die Gesetzestexte völlig falsch interpretieren, dann ist es unredlich, wie sie dann argumentieren, es hilft der Sache nicht, es lenkt nämlich ab von dem Kernproblem, und das Kernproblem ist doch nicht, dass ich im Haupt- und Finanzausschuss mit meiner linken Mehrheitsstimme vielleicht beschlossen habe, dass es 400-PS-Boliden gibt. Wir haben nicht beschlossen, dass es absurde Gehälter gibt, vielleicht für Menschen, die es niemals verdient haben. Die Beschlüsse wurden woanders gefasst, und dort, wo die Beschlüsse gefasst wurden, ist der Ort der Aufklärung, die Menschen müssen sich verantworten. Es müssen sich all diejenigen verantworten, die eigentlich geprüft haben. Es gibt eine Revision bei der AWO Frankfurt, ich frage mich, was hat die gemacht? Ich frage mich auch, was haben die Menschen denn dabei gedacht, wenn sie Gehaltsverträge abzeichnen, die unmoralisch sind, die unredlich sind? Hat sich niemand gewundert, was für PS-Boliden in den Tiefgaragen der AWO oder sonst wo stehen? Das ist das Problem, und wir als LINKE kritisieren diese Struktur, weil sie die Arbeiterschaft schwächt. Diese AWO mit dieser Struktur ist ein Bärendienst für die Arbeiterinnen und Arbeiter, und das muss sich ändern, und wir als Stadtverordnete müssen einen Beitrag zur Aufklärung leisten. Was ich nicht will, ist, dass manche jetzt sogar anregen, die ganze AWO infrage zu stellen. Die FDP, Herr Pürsün schauen Sie mich ruhig an, Sie sagen am besten keine Gelder mehr. Was glauben Sie denn, wen das trifft? Trifft es den Besitzer des 400-PS-Boliden? Trifft es den Geschäftsführer? Nein, es trifft auch all die Menschen, die Anspruch auf die Leistungen haben, es trifft all die Menschen, die eine soziale Wohlfahrt verdient haben, aber das interessiert die FDP doch nicht. Sie machen hier einfach Tabula rasa, weil es Ihnen passt. Nebenbei noch den Oberbürgermeister rasieren, egal, Hauptsache es nützt Ihnen. Denken Sie mal an die Menschen, die eine starke AWO brauchen, und da denke ich jetzt auch an die SPD: Sie müssen den nötigen Beitrag zur Aufklärung im Dienste der AWO leisten. Sie dürfen keine Intransparenz mehr dulden, es kann kein Stein mehr auf dem anderen bleiben bei der AWO. Und, Herr Oberbürgermeister, auch Sie will ich in die Pflicht nehmen, gerade weil es so wichtig ist. Es geht doch nicht um Autos, Herrgott, es geht um die Lebensrealität von Menschen, die eine AWO brauchen, die es nicht mehr gibt. Und für Sie von der AfD habe ich gar kein Wort mehr übrig, ich schaue Sie gar nicht mehr an, weil das, was Sie jetzt beitragen, niemals der Sache und den Menschen dient, und von daher beschäftige ich mich mit Ihnen überhaupt nicht. Und ja, ich hoffe, ich kann es auch die nächsten eineinhalb Jahre durchhalten, weil wir dann versuchen werden, dass Sie nicht mehr im Parlament sitzen.

(Beifall)

Und, Herr Becker, Sie sind ja auch da. Sie haben vorhin ja die Whistleblower zitiert. Sie haben sich über Whistleblower gefreut. Sie haben gesagt, es gab die Whistleblower und Edward Snowden, aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass die CDU die letzte Partei mit der FDP zusammen ist, die zum Beispiel das Asylrecht für Edward Snowden durchsetzt. Also, Whistleblower nur, wenn Sie Ihnen gefallen? Nein, Whistleblower muss man wenn, dann konsequent unterstützen, aber das macht die CDU ja nicht. Und jetzt freuen Sie sich, dass Sie hier scheinbar irgendwie Nahrung bekommen, und Sie haben übrigens auch in Ihrem Beitrag nicht zur Aufklärung beigetragen. Ihr Beitrag, Herr Becker, hat doch der Sache nicht genützt. Es war ein Versuch, dass es Ihnen nützt, es hat aber den Magistrat geschwächt, und es hat deutlich gemacht, dass diese Koalition eigentlich nicht mehr handlungsfähig ist.

(Beifall, Zurufe)

Aber wir brauchen eine handlungsfähige Koalition, um diesen AWO-Sumpf trocken zu legen, das geht nur gemeinsam. Aber was Sie heute an den Tag legen, ist eigentlich der Beginn der letzten Tage dieser Koalition, und das, finde ich, ist …

(Zurufe)

Ja, jetzt sagen Sie Wahlkampf, Sie führen, Herr Lange, ständig Wahlkampf. Aber es geht darum, dass man die AWO jetzt wirklich wieder zurück auf das besinnen muss, was sie eigentlich auszeichnet, und das kam in der Debatte von Ihnen bislang viel zu kurz. Und von daher, ja, wir sind noch nicht am Ende, Herr Popp, wir müssen aber wirklich die Struktur der AWO neu definieren, und dazu braucht es eine starke Stadtverordnetenversammlung.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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