Radentscheid ist noch nicht die Verkehrswende

34. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Juni 2019

Tagesordnungspunkt 6: Bürgerbegehren Radentscheid Frankfurt am Main

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Danke, Herr Tschierschke! Es folgt Herr Kliehm von der LINKEN. und dann Herr Mund. Bitte!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich lerne immer wieder etwas Neues in dieser Debatte. Also, die AfD fordert Ideologiefreiheit, was in der Regel bei denen bedeutet, dass sie meinen, man soll nur ihrer eigenen Ideologie folgen. Die BFF, Herr Mund, beschwert sich darüber, dass er, wenn er mit dem Auto vom Römerparkhaus zum Kornmarkt fährt – ob nun betrunken oder nicht -, um dort seine Wäsche abzugeben, dann im Stau steht. Das kann man doch wirklich zu Fuß machen. Die FDP sorgt sich, wie immer, um die Wirtschaft, verkennt aber dabei, dass, wenn die Aufenthaltsqualität bei öffentlichen Straßen und Plätzen steigt, auch die Verweildauer dabei steigt und dass dann mehr Umsätze für die Geschäfte kommen. Wir sind aber bei Ihnen, dass insbesondere die Handwerksbetriebe eine Möglichkeit haben müssen, um weiterhin nach Frankfurt hereinfahren und ihr Geschäft machen zu können. Da sind wir ausnahmsweise bei Ihnen.

(Zurufe)

Ansonsten muss ich dazu sagen, dass diese Debatte jetzt stattfindet, wurde aber auch Zeit. Wir haben lange genug darauf gewartet. Dass der Radentscheid am Ende sehr viele von seinen Sachen durchgedrückt hat, finde ich auch sehr positiv, denn Sie können wetten, wenn diese temporären Lösungen, die Sie jetzt vorschlagen, gut sind, wird niemand damit einverstanden sein, dass die wieder verschwinden. Die werden auf Dauer bleiben.
Was wir brauchen, und das haben verschiedene Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt, ist zum Beispiel, Lücken im Radwegenetz zu schließen, gerade in der Innenstadt, und baulich den Überfahrschutz für Radstreifen zu installieren. Sie haben es gemerkt, ein paar weiße Linien auf der Straße bringen nichts, die Radwege sind ständig zugeparkt. Wir brauchen einen baulichen Überfahrschutz, wie es jetzt temporär teilweise schon mit diesen orangenen Barken gemacht wurde. Dies aber bitte in schön und für stetig.
Wir brauchen mindestens – Manfred – zwei Meter breite Radwege, damit man da auch überholen kann, es können gerne auch mehr sein, so wie wir es am Mainufer teilweise sehen. Grüne Welle für Radfahrer. Ãœbrigens, soweit mir bekannt ist, haben wir schon ein Verkehrssteuerungssystem.

Solche Kleinigkeiten wie in Kopenhagen, Abstützmöglichkeiten an Ampeln, damit man da nicht immer absteigen muss. Der Schutz vor Abbiegeunfällen ist zentral, da gibt es natürlich verschiedene Baumaßnahmen, die sind auch nicht so günstig, aber sie bringen sehr viel. Also mit diesen vorgezogenen – was wir bisher als „Gehwegnasen“ kennen – im rechten Winkel abbiegen, lauter diese Geschichten, damit Radfahrende gesehen werden. Das bedeutet auch, dass an Ampeln Radfahrende vorgezogen werden, damit sie im Zweifelsfall auch von LKW gesehen werden.

Die farbliche Markierung an Kreuzungen haben wir schon lange vorgeschlagen. Da muss man manchmal auch neue Wege gehen, wie zum Beispiel diese im Boden eingelassenen blinkenden LEDs, wie es sie bereits in den Niederlanden gibt, um eben zu signalisieren: Achtung abbiegende Autofahrer, da kommt gerade ein Fahrrad.
Die Umgestaltung von Kreuzungen hatte ich gerade schon genannt. Mehr Abstellmöglichkeiten für die zunehmende Anzahl an Fahrrädern. Sie sehen teilweise, wie die Parksituation für Fahrräder ist.

Was gut an diesem Antrag ist, das muss ich ehrlich sagen: er ist finanziell gut ausgestattet. 21 Millionen sind jetzt kein Pappenstiel. Und Herr Mund, wenn Sie sagen, das ist Geld, das woanders gebraucht wird: also für 21 Millionen, rechnen Sie sich aus, wie viele Meter U?Bahn?Tunnel Sie dafür bekommen, da haben Sie noch nicht eine U-Bahn-Linie gebaut. Das ist ein extrem gut investiertes Geld, das sehr viel für die Verkehrswende in Frankfurt bringt.

(Beifall)

Aber die Jugendlichen von Fridays for Future waren auch im Verkehrsausschuss und haben gesagt, dass dieser Radentscheid noch nicht die Verkehrswende ist. Wir haben vorhin über das Dieselfahrverbot, über einige Punkte gesprochen und Herr Emmerling war so gut, einige darüber hinausgehende Sachen, wie zum Beispiel Park-and-ride?Parkplätze anzusprechen. Das haben sehr wenige gemacht.

Es braucht mehr für eine Verkehrswende in Frankfurt als nur einen Radentscheid. Es bringt nichts, wenn die 43 neuen Straßenbahnen und 22 neuen U-Bahn-Wagen am Ende mit Kohlestrom fahren. Es bringt auch nichts, wenn die Radwege in Zukunft von Elektroautos zugeparkt sind. Wir brauchen da eine Verkehrswende hin zu mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr und da müssen wir einfach auch den Autos Platz wegnehmen. Es bringt nichts, wenn dann eben die Elektroautos auf den Radwegen stehen. Die müssen auf Dauer einfach viel weniger werden oder auch aus dem Innenstadtbereich verschwinden, mit Ausnahme vielleicht von den Handwerkern.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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