Das ist keine politische Satire, sondern Frauenverachtung!

6. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. September 2021 – TOP 1

Stadtverordnete Monika Christann, LINKE.:

Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
werte Stadtverordnete!
Ich möchte jetzt eine persönliche Erklärung abgeben. Nico Wehnemanns Fraktion hat
heute im Ältestenausschuss den Antrag NR 74 zu kostenlosen Monatshygieneartikeln
zurückgezogen, wohl, weil er die Thematisierung der darin enthaltenen Frauenverachtung in der Öffentlichkeit fürchtet. Die Unterdrückung der Thematisierung von Frauenverachtung, sei es von rechten Parteien oder in diesem Fall von der Fraktion DIE FRAKTION muss hier weiterhin thematisiert werden und muss auch deutlicher thematisiert werden. Die Frauen*verachtung nimmt hier zu. Die Verhohnepiepelung von benötigten kostenlosen Menstruationsartikeln für arme Frauen, arme Haushalte, darf nicht unwidersprochen bleiben, und das ist kein Witz, sondern das ist etwas, dessen wir uns annehmen müssen. Deswegen haben sich hier viele Frauen quer durch alle Parteien mit einer interfraktionellen Erklärung verständigt, dass wir das so nicht hinnehmen wollen. Sie werden unterstützt von solidarischen Männern. Eigentlich sind es fast alle Parteien bis auf die Rechten. Sie haben ja auch im Ausschuss schon Ihre Meinung dazu kundgetan. „Wir wenden uns entschieden gegen die frauenverachtenden Inhalte des Antrags NR 74 der FRAKTION zum Thema ‚kostenfreie Menstruationsartikel‘. Wir fordern alle Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung auf, zukünftig solche Frauenverachtung in Anträgen oder Wortbeiträgen zu unterlassen.

Satire kann ein geeignetes politisches Mittel sein, wenn sie sich gegen Mächtige richtet,
die es in der Hand haben, einen unhaltbaren Zustand zu beenden, den sie gegebenenfalls
mit verursacht haben. Auf den Inhalt des Antrags NR 74 trifft es nicht zu.“ Der ist ja zurückgezogen worden, aber dennoch müssen wir Frauenverachtung thematisieren.
„Der Antragstext enthält den Vorschlag, Tampons in Geldscheine einzurollen, um den
‚Gender Pay Gap‘ abzuschaffen. Für gleiche oder gleichwertige Arbeit besteht auch in
Frankfurt am Main immer noch eine Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen von
mehr als 19 Prozent. Das führt in vielen Fällen zu Altersarmut von Frauen. Das ist ein
Skandal und kein Witz! Die antragstellenden Fraktionsmitglieder zeigen mit diesem Vorschlag, dass sie nicht verstanden haben, worum es bei Geschlechtergerechtigkeit geht.
Die Situation von Mädchen und Frauen, die unter dem Mangel an kostenlosen Monatshygieneartikeln leiden, wird hier von Angehörigen einer privilegierten Gruppe – den Mitgliedern dieser rein männlichen Fraktion – auf geschmacklose Weise ‚auf die Schippe genommen‘. Das ist keine politische Satire, sondern Frauenverachtung!

(Beifall)

Es ist eine Tatsache, dass es im reichen Deutschland viele Mädchen und Frauen gibt,
deren Elternhaus so arm ist, dass sie sich keine Monatshygieneartikel leisten können,
sogenannte ‚Periodenarmut‘. Hinzu kommt, dass mangels der Verfügbarkeit der Monatshygieneartikel eine Scham der betroffenen Frauen und Mädchen existiert, die sie für viele Tage im Jahr daran hindert, am Unterricht teilzunehmen und zu Bildungslücken
führen kann. Damit sind die betroffenen Mädchen und Frauen an der vollständigen Bildungsteilhabe gehindert. Die weiterhin existierende Tabuisierung der Periode tut ihr Übriges. Die theoretische Erwägung in der Antragsbegründung, dass eine generelle und kostenlose Uterusentfernung das Problem lösen könnte, beinhaltet die gedankliche Einbeziehung einer Körperverletzung von Frauen.

Schon allein im Hinblick auf die nationalsozialistische Vergangenheit mit ihren zahlreichen Zwangssterilisationen ist dieser Gedankengang verwerflich. Eine Uterusentfernung – aus welchen Gründen auch immer – kann
kein Inhalt sein, über den man sich lustig machen kann.

(Beifall)

Diese in einen Antrag gegossene Frauenverachtung ist für eine demokratische Institution wie unser Parlament untragbar!“ Deswegen müssen wir das auch weiterhin thematisieren, auch wenn der Antrag zurückgezogen wurde. „Wir Frauen unterschiedlicher Fraktionen
wehren uns gegen solche sexistischen und frauenverachtenden Beiträge, sei es von der
Fraktion DIE FRAKTION, anderen Fraktionen oder einzelnen Stadtverordneten, Dezernats oder auch Magistratsmitgliedern. Frauen- und Menschenverachtung darf hier
keinen Platz haben!“ Und noch eine Fußnote zu dem Text: Die Darstellung der Menstruation als eine Erfahrung, die ausschließlich Frauen erleben, ist
nicht vollständig. Auch Trans-, non-binäre oder geschlechtsneutrale Personen können
monatlich bluten. Geschlechtsneutrale Formulierungen, wie im vorgelegten Antrag gewählt, sind allerdings oft nicht präzise und verschleiern ihrerseits wie hier reale Diskriminierungserfahrungen, wie zum Beispiel der angesprochene Gender Pay Gap. Aufgrund dessen sprechen wir in diesem Text von Frauen, aber uns ist bewusst, dass wir das nicht auf binäre Frauen beschränken können und deswegen ist es auch absoluter Blödsinn, wenn soeben eine Pressemitteilung von Herrn Wehnemann an die Presse gegangen ist, dass wir transfeindlich sind. Sorry, Nico, so was von Blödsinn. Und ich denke, ihr habt hier richtig Mist gebaut und das kann nicht unwidersprochen bleiben und wir werden an dem Thema dranbleiben. Danke!

(Beifall)

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