Roma und Sinti, schwarze Menschen und People of Color haben nicht den Luxus, wegzuschauen und Unrecht aus Unbetroffenheit heraus zu relativieren

34. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Juni 2019

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1927: Inwiefern legitimiert das langjährige angeeignete Wissen die Praxis von Racial Profiling?

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler

Danke schön! Damit ist diese Aktuelle Stunde beendet. Wir kommen zur nächsten Aktuellen Stunde, das ist die Frage Nr. 1927 auf Anmeldung der LINKE.?Fraktion zum Racial Profiling. Die erste Wortmeldung kommt von Frau Ayyildiz von der LINKE.-Fraktion. Bitte schön!

Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher!

Rassistische Strukturen in der Gesellschaft bedeuten rassistische Strukturen in jeder Institution der Gesellschaft. Dieses fundamentale Thema einer jeden sozialen Gemeinschaft blieb im Römer leider ergebnis- und einsichtslos Dank der Koalition und Ihrem politischen Erblinden vor Privilegien und dem Status, den Sie für selbstverständlich halten. Was tagtäglich passiert ist sowohl für Roma und Sinti als auch für schwarze Menschen und People of Color nichts Neues. Sie müssen den gesellschaftlichen Rassismus aushalten und haben nicht wie weiße Menschen den Luxus, wegzuschauen und Unrecht aus Unbetroffenheit heraus zu relativieren.

(Beifall)

Durch das Bahnhofsviertel als polizeilich gebrandmarkter, sogenannter gefährlicher Ort wird ein Vorwand geschaffen, um die soziale Kontrolle durch die Staatsgewalt zu ermöglichen. Dies ist ein polizeiliches Instrument, das gesetzlich nicht vorgeschrieben, durch verschiedene jedoch interpretiert wird. Zu behaupten, dort findet Kriminelles durch Kriminelle statt, ist die Verräumlichung von Kriminalität, die die heterogene Bevölkerungsstruktur vor Ort unter Generalverdacht stellt. Durch die bloße Annahme von kriminellen Handlungen, die marginalisierten Gruppen zugeschrieben werden, erfolgt ein Zugang zur Kontrolle von bestimmten Personengruppen. Kriminalität wird auf Personengruppen anhand äußerlicher Merkmale projiziert, die auf ethnischen Unterschieden beruhen. Das ist der Unterbau von Racial Profiling. Dass Sie und die Polizei diese rassistischen Stereotype als Expertenwissen schimpfen, ist ein Akt, der eine diverse Gesellschaft exklusiv macht und die weiße Mehrheitsgesellschaft über die Andersgemachten stellt. Sich gegen Rassismus auszusprechen heißt, diese Bilder und Handlungen als irrational und menschenverachtend zu begreifen. Wenn Sie sagen, für Rassismus sei kein Platz in Frankfurt, dann hören Sie auf, Rassismus zu relativieren, zu negieren und zu tolerieren.

(Beifall)

Wenn das polizeiliche Wissen auf rassistischen Vorstellungen aufbaut, dann ist das keine demokratische Theorie zur polizeilichen Praxis. Dass daraus rassistische Praktiken folgen, ist eine logische Konsequenz und nie ein Einzelfall. Interkulturelle Kompetenz ist zwar Teil der Polizeiausbildung, doch muss man sich fragen, greift diese nicht, weil man nicht voraussetzt, dass Polizistinnen und Polizisten demokratisch sein müssen oder weil die inhaltliche Auseinandersetzung auch rassistische Bilder reproduziert. In der Frankfurter Rundschau wurde davon berichtet, dass einer Romni ihr Beruf als Pädagogin von der Polizei nicht geglaubt wurde. Dass ihre Pausenaufsicht mit Knien im Rücken, Handschellen und blauen Flecken endet, ist die Auswirkung von Racial Profiling, die Sie alle gekonnt ignorieren. Sie würden niemals in so eine Situation kommen, weil Sie auf der Sonnenseite der Gesellschaft geboren wurden. Die Kehrseite wird von Ihnen mitgetragen und mitproduziert. Sie haben die gesellschaftliche Spaltung durch Ihr Unrechtssystem zu verantworten, das Sie zur Aufrechthaltung Ihrer Privilegien, Ihrer Profite und Ihres Kapitalwachstums betreiben. Sich in Zeiten des Rechtsrucks in humanitären Fragen querzustellen, konstituiert nur Ihr politisches Verständnis. Divide et impera, teile und herrsche. In Deutschland haben Neonazis nie aufgehört zu morden. Wer trägt dafür die Verantwortung?

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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