Warum können sich Rassisten in Uniform so sicher und wohl fühlen?

30. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 31. Januar 2019

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1633: Wann wurde der zuständige Dezernent über die Drohbriefe an eine Frankfurter Anwältin informiert, und warum hat der Magistrat bisher keine öffentliche Stellung dazu bezogen?

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Nachdem wir uns jetzt ein bisschen aufgewärmt haben, kommen wir zur dritten Aktuellen Stunde zur Frage Nr. 1633 der LINKEN. zu den Vorfällen auf dem 1. Polizeirevier. Frau Ayyildiz, Sie haben das Wort. Bitte!

Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher!

Der Verdacht, dass die sechs suspendierten Polizeibeamten selbst hinter den Morddrohungen gegen die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz stecken, erhärtet sich durch den verräterischen Gebrauch von Behördenkürzeln, wie das hessische LKA wegen eines erneuten Drohbriefes mitgeteilt hat. Dass trotz Suspendierung der rassistischen Polizeibeamten und trotz der laufenden Ermittlungen die Morddrohungen nicht aufhören, zeugt von einem so selbstgefälligen Auftreten derer, die sich stolz und selbstbewusst „NSU 2.0″ schimpfen, obwohl sie eine Schande für die Menschheit, eine Schande für eine Stadt wie Frankfurt sind. Als Personen des öffentlichen Lebens in einer politischen Verantwortung müssen wir uns jedoch fragen, warum sich Rassisten in Uniform so sicher und wohl fühlen können. Wenn es hart auf hart kommt, machen die nämlich genau das, was Sie tun, wenn ein weiterer Skandal in die Öffentlichkeit sickert, sie schweigen. Es obliegt jedoch unserer gesellschaftlichen Verantwortung, über strukturellen Rassismus in Verbindung mit autoritären staatlichen Strukturen zu reden, die Rassisten innerhalb der Struktur unantastbar machen und faktisch eine Gefahr werden für die Demokratie, für die Bevölkerung, die sie eigentlich zu schützen verpflichtet sind.

Gleichzeitig verstecken sie sich hinter dem guten Ruf der Polizei, für dessen Schein Sie alle mit Ihren Lobeshymnen verantwortlich gemacht werden müssen. Es wäre nur richtig, sich gerade jetzt nicht verteidigend vor die Polizei zu stellen, denn es geht in der gesamten Angelegenheit nicht um das Individuum in der Uniform, sondern um die Macht, die die Uniform dem Individuum gibt und wie jeglicher Missbrauch dieser Macht durch die Strukturen geschützt wird. Polizeistrukturen sind durch Hierarchie und Intransparenz undemokratisch, da sie von Befehl, Gehorsam und Chorgeist leben. Es wäre gelogen, wenn es mich überraschen würde, dass die Stadt hierzu noch keine öffentliche Stellungnahme abgegeben hat, obwohl gerade diese Entschlossenheit und Nulltoleranz gegenüber Rassismus notwendig wäre. Sie versuchen, auf Biegen und Brechen einen Skandal zu umgehen und treffen mit dieser gebückten Haltung eine gravierende politische Entscheidung, die verantwortungsloser nicht sein kann. Rassismus bedeutet den Hochverrat an Menschlichkeit, und mit Ihrem Schweigen etablieren Sie ein Klima der Toleranz gegenüber menschenfeindlichem Gedankengut, ja, Sie bestärken ihn sogar durch Ihre Untätigkeit, sich konsequent gegen ihn zu stellen – gleich auf welcher Ebene.

Wenn eine Polizistin eines rassistischen Polizeikreises, der nur bis jetzt sechs Menschen zählt, Daten von einem Dienstcomputer abruft, um Menschen aufgrund ihrer rassistischen Ãœberzeugung wieder zu bedrohen, und diese Schreiben mit „NSU 2.0″ unterzeichnet werden, muss ich Sie fragen, auf wessen Tod warten wir gerade, um ihn unaufgeklärt zu lassen, wie es beim NSU der Fall war? Wem gegenüber gilt hier eigentlich die Loyalität? Rassisten in den eigenen Reihen oder dem Grundgesetz, das alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an die demokratische Grundordnung bindet? Welches Signal senden Sie mit Ihrem peinlichen Schweigen an die weltoffene Stadt Frankfurt? Wer kontrolliert, dass auch nach der Ausbildung auf dem Boden des Grundgesetzes gehandelt wird? Sie wollen für Recht und Ordnung sorgen, Herr Frank, dann verraten Sie doch erst einmal, ab wann Sie Bescheid wussten und wer Sie informiert hat.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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