Polizei als Instrument des kapitalistischen Staates

25. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 21. Juni 2018

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1307: „Im Klapperfeld“ ist in großen Buchstaben die Aufschrift „Niemand muss Bulle sein“ angebracht. Wie ist diese Aufschrift an einer städtischen Liegenschaft mit der Kampagne „Frankfurt zeigt Respekt“, die auch Uniformträger einbezieht, in Einklang zu bringen?

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Ayyildiz von der LINKE.-Fraktion. Frau Ayyildiz, in unserer Geschäftsordnung steht, dass keine politischen Bekundungen hier zu tragen sind. Ich würde Sie darum bitten, Ihren Janker zu schließen, dass das nicht zu sehen ist.

(Beifall, Zurufe)

Dann haben Sie ein großes Problem.

(Zurufe)

Die werden Sie nicht hier halten mit der Kleidung.

(Zurufe)

Das ist Ihr persönliches Problem.

(Zurufe)

Das wäre eine Möglichkeit, ja.

Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:

Wie schön, dass ich mein Recht als Stadtverordnete wenigstens so, mit der Kleiderordnung des Stadtverordnetenvorstehers, durchführen kann. Danke schön!

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Nicht mit der Kleiderordnung des Stadtverordnetenvorstehers, sondern mit der Geschäftsordnung, die auch von Ihrer Fraktion mit beschlossen worden ist.

Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:

(fortfahrend)

Ja, wenn ich hier spießbürgerlich in einem Kostüm auftauche, dann bekomme ich etwas zu hören.

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher!

Als Politikerinnen und Politiker gehört es zu unserer Aufgabe, Äußerungen differenziert zu betrachten und zu verstehen, ob sie nun unsere eigenen Überzeugungen vertreten oder nicht. Sie alle werden natürlich taktisch versuchen, mich wegen eines Shirts in eine Rolle zu stecken, die ich bewusst aus folgenden Gründen zurückweise: Das Bundesverfassungsgericht hat schon lange erkannt, dass ACAB eine grundlegende Ablehnung der Institution ist und mangels Individualbezug keine Beleidigung einzelner Beamtinnen und Beamten meint. Somit ist Ihr Versuch, mich als Gewaltpropagierende Asoziale zu brandmarken, schon kläglich gescheitert, und wenn Sie es zulassen können, auch Ihre Bildungslücke geschlossen.

Des Weiteren müsste Ihnen allen bekannt sein, dass ich für eine solidarische und gerechte Gesellschaft streite und nicht für die Beibehaltung kapitalistischer Strukturen. Die Polizei als Instrument des kapitalistischen Staates …

(Heiterkeit)

… hat nicht bloß die Aufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen, sondern kapitalistische Interessen durchzusetzen und eine entsprechende Ordnung zu erhalten. In den 25 Jahren meines jungen Lebens habe ich nichts anderes erlebt. Lesen Sie im Wortprotokoll vom 06.06.2013 meine Rede zur Polizeigewalt und vom 21.03.2013 meine Rede zu Polizeistrukturen nach.

Jetzt möchte ich ein paar Sätze aus meinem persönlichen Bericht als Demobeobachterin vortragen: „Ich glaube, es waren neun Stunden Freiheitsentzug, bis die Dixi-Klos, die in der Parallelstraße am Main standen, uns Eingekesselten zur Verfügung gestellt wurden, es vergingen etliche Stunden. Demosanitäter wurden nicht durchgelassen, trotz mehrfacher Angriffe der Polizei in den Kessel. Es war ein sonniger, heißer Tag, viele trugen Sonnenbrillen. Mit dem Vorwand der Vermummung wurden die unbegründeten Angriffe seitens der Polizei gerechtfertigt. Wir mussten uns alles gefallen lassen, raus ging es nicht. Die Stimmung im Kessel war trotzdem eine gute, es war bunt, laut, herzlich und friedlich.“

Zudem sehe ich durchaus ein Zusammenhang zwischen Polizeieinsätzen und verschiedenen Polizeistrategien. Man darf nicht vergessen, und das wissen Sie ebenso gut wie ich, dass das, was die Polizei ausführt, den politischen Willen der Regierenden zu erfüllen hat. So kann in der logischen Konsequenz das plakative Statement des Shirts bloß als Kritik an einer Säule des Systems gewertet werden.

Ich vertrete nämlich auch diejenigen, die sich fragen, wen rufe ich, wenn die Polizei das Gesetz bricht? Das Skandalöse ist für mich, dass die Tagesschau es für wichtiger erachtet, Kommentare in Hessen zu meiner Kleidung zu sammeln, statt über den unsäglichen rechten Haufen um Pegida-Heidi auf dem Paulsplatz zu berichten. Dass ein CDUler mir in dem Zusammenhang unterstellt, den Nährboden für Gewalt zu schaffen und als asozial zu beschimpfen, ist für mich ein Zeugnis der Ignoranz der Konservativen.

Mit rechts haben Sie offensichtlich kein Problem. Überrascht bin ich nicht, wenn man bedenkt, dass gerade die CDU womöglich eine starke Rechte braucht, um noch in elitären Kreisen als Mitte der Gesellschaft zu gelten. Was Sie versuchen aus meinem friedlichen Protest gegen rechts zu drehen, ist einzig und allein Ihr Problem. Ich stand wenigstens da, um zivilgesellschaftlich auf rechts zu antworten.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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