Welche Vision entwickeln wir für die Städtischen Bühnen

15. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 29. Juni 2017

Tagesordnungspunkt 5: Wegweiser zur Oper und Schauspiel im Frankfurter Verkehrsnetz

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Vielen Dank, Herr Ochs! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kliehm von der LINKEN. Bitte schön!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Lieber Bernhard, es tut mir leid, dass du die Einleitung verpasst hast, aber tatsächlich reden die meisten heute über die Städtischen Bühnen. Ich war neulich in meinem Lieblingscafé und konnte dort den Stammgästen, die sonst in epischer Breite die Spiele der Eintracht besprechen, lauschen, wie sie in Anspielung auf den Preis einen Vergleich mit der Elbphilharmonie angestellt haben und meinten, na, lass uns doch die Mainphilharmonie gegenüber dem Portikus auf der Alten Brücke bauen. Die CDU würde frohlocken, Christoph Mäckler würde sich schon die Hände reiben. Wir wären natürlich strikt dagegen, das an der Alten Brücke zu verwirklichen. Interessant dabei ist aber doch, dass die Gäste in dem Café das gut finden. Deswegen denke ich, dass bei dieser ganzen Debatte nicht der Preis entscheidend ist, Renate Wolter-Brandecker hat das vorhin schon gesagt, entscheidend ist auch nicht die Bruttogeschossfläche. Wir führen hier tatsächlich eine gähnende technokratische Diskussion um irgendwelche Quadratmeter. Entscheidend für die Akzeptanz in der Bevölkerung wird am Ende sein, welche Vision wir für die Städtischen Bühnen entwickeln.

(Beifall)

Daran mangelt es leider häufig auch bei den GRÜNEN. Selbst Sebastian Popp hat hier schon den Taschenrechner in der Hand und rechnet nur noch Quadratmeter aus.

(Zurufe)

Wir müssen einmal zurückblenden. 1963 war die Eröffnung der Städtischen Bühnen mit der transparenten Glasfassade zur Stadt hin wegweisend. Das war ein Signal. Nicht zu vergessen, Sie können es bis heute noch sehen, sind die Liveübertragungen der Oper nach draußen, wenn dort gespielt wird. Ich glaube, das ist nicht selbstverständlich. Das sind alles Zeichen für eine Öffnung zur Stadt hin, dass dieser öffentliche Raum auch die Stadt mit bespielt. Ein Zeichen dafür ist auch der Wolkenhimmel. Ich bin als Kind immer mit der Straßenbahn daran vorbeigefahren und fand den ganz prächtig. Der Wolkenhimmel ist Kunst im öffentlichen Raum, der Chagall-Saal, dies war für die damalige Zeit wegweisend.

Frau Dr. Hartwig hat es angesprochen. Wir müssen uns diese Fragen jetzt auch heute stellen; Fragen, für wen wollen wir das denn bauen? Für welche gesellschaftlichen Schichten möchten wir das in einer Stadt der Minderheiten bauen, wie es Sylvia Weber neulich genannt hat? Wie soll das Theater oder die Oper von morgen aussehen? Natürlich sind auch die Intendanten gefragt, Visionen zu entwickeln. Die haben sich bisher relativ zurückgehalten, aber ich denke, gerade in den nächsten Jahren, wenn es darum geht, Visionen für das Theater oder die Oper von morgen zu entwickeln, sind gerade sie gefragt. Es sind die Beschäftigten gefragt, wie es denn aussehen soll, welche technischen Möglichkeiten wir haben. Man kann doch gerade durch diese 40 Meter Drehbühne ganz andere Inszenierungen machen, viel schneller den Spielplan wechseln, als es woanders möglich wäre. Wir können doch gerade durch die technische Ausstattung im Schauspiel faszinierende Inszenierungen für Kinder und Erwachsene machen. Man muss sich dann schon fragen, was ist denn dabei technisch momentan up to date, wohin geht die Reise? Ich weiß zum Beispiel, dass lichttechnisch die Bühnen in Köln Frankfurt weit voraus sind. Nicht nur da gibt es sicherlich etwas. Aber, wir hier im Stadtparlament müssen uns vor allem politisch die Frage stellen, wie wir diese Öffnung von 1963 mit der Glasfassade ins 21. Jahrhundert schaffen.

(Beifall)

Ganz banal, die Piraten hätten gesagt, wir machen einen Livestream. Aber da muss es doch noch mehr Möglichkeiten geben, auch den öffentlichen Raum der Öffentlichkeit zurückzugeben. Ich habe mich neulich gefragt, warum die Städtischen Bühnen eigentlich tagsüber geschlossen sind und sich dieses Haus nur abends öffnet. Ja, natürlich, um es tagsüber zu bespielen, bräuchte es dann eine Aufsicht, Gastronomie und das wäre alles super kompliziert. Frau Dr. Hartwig hat es ein bisschen einfacher formuliert. Man könnte den Platz davor einfach beleben, der momentan nur ein Durchgangsplatz für Bänker oder für Menschen auf dem Weg zur U-Bahn ist. Wir hatten auch neulich zufällig darüber gesprochen, selbst die Elbphilharmonie hat eine Aussichtsplattform. Die ist öffentlich, Teile davon sind öffentlich zugänglich, den ganzen Tag.

Ein bedeutender Hamburger hat einmal gesagt: „Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen.“ Ich glaube, wir können das besser. Haben Sie den Mut zu Visionen, gehen Sie nicht zum Arzt. Gehen Sie ins Theater, denn anders als in der Stadtverordnetenversammlung werden Sie danach nicht nur älter sein, sondern tatsächlich humaner herauskommen. Diesen Mut sollten wir haben.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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