Rede in der Stadtverordnetenversammlung am 19.09.24
Herr Vorsteher, werte Stadtverordnete,
zu Beginn möchte ich eines klarstellen: Meine Fraktion Die Linke befürwortet Digitalisierung, prüft aber die Beschluss-vorlagen. Wir begrüßen eine beschleunigte Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes, was durch den früheren CDU-Dezernenten Jan Schneider verschleppt wurde. Nun geht es voran. Aber: Die beiden Vorlagen M 86 und M 87 brauchen wegen grober handwerklicher Fehler eine Überarbeitung, sonst können wir nicht zustimmen. Die gezielte Ausschaltung des Gesamtpersonalrats bei der rechtmäßigen Mitbestimmung macht die Vorlagen nicht gerichtsfest bzw. nicht einigungsstellenfest. Dies gilt auch für die jährliche Auslosung der Dezernentin von Beschäftigten zwecks Bildung eines „Beschäftigtenrats“ statt die gewählten Personalräte zu beteiligen. Die Vertretung der Beschäftigten ist und bleibt der Gesamtpersonalrat, der dies immer wieder eingefordert hat.
Das wird aber – wie wir das auch vom Kämmerer in Sachen “Varisano“-Kliniken schon kennen – nicht beachtet. Beide Dezernent:innen haben bis heute nicht verstanden oder wollen es nicht, was Mitbestimmung ist und dass sie an die Gesetze gebunden sind. Ohne Mitwirkung des GPRs haben die Vorlagen vor Gericht keine Chance.
Wir sind uns einig, dass wir in der sich schnell verändernden Gesellschaft mit rasant wachsenden digitalen Möglichkeiten auch für unsere Stadtverwaltung eine Arbeitskultur brauchen, die sich anpassen kann– so es denn sinnvoll ist. Aber warum müssen wir die Stadtverwaltung in ein Wirtschaftsunterneh-men verwandeln? Sprache ist verräterisch und enthüllt die Geisteshaltung. Die neoliberale Ausrichtung von VOLT wird überall im Text deutlich: In sämtlichen Anlagen der beiden Beschlussvorlagen heißen die Verwaltungsprozesse jetzt „Geschäftsprozesse“. Sie sollen wirtschaftlich arbeiten und werden von einem neuen, zentralen Management mit völlig neuen Kommandostrukturen gelenkt. Die Ämter und Dezernate haben sich dem Digitalisierungsdezernat zu fügen. Das neue Managementkonstrukt prüft und entscheidet, welche der vorgeschlagenen Projekte aus den Ämtern umge-setzt werden dürfen. Folgen dann auch entsprechende hohe Gehälter für Manager, fernab der tariflichen Entlohnung? Eileen O’Sullivan hat ja schon in der Presse geäußert, dass sie Tarifverträge am liebsten abschaffen würde. Ihr Konzept enthält die Vorgabe, für die Erreichung der Ziele mit „Kennzahlen-basierter Optimierung der Geschäftsprozesse“ zu arbeiten und will agile Arbeit einführen. Beides, Kennzahlen als Messlatte zur Erreichung wirtschaftlichen Wachstums und agiles Arbeiten, das Erarbeitetes verwirft, wenn der Kunde seine individuellen Wünsche ändert, gehören in ein Profitunternehmen, jedoch nicht in eine Verwaltung. Die Weigerung der Dezernentin, in den Mängelmelder „Barrierefreiheit“ aufzunehmen, um nach ihrer Aussage keine falschen Erwartungen zu wecken, passt in das Wirtschaftskonzept, aber nicht in ein Konzept der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Begriffe „…soweit wirtschaftlich sinnvoll“ tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Gilt das auch für soziale Dienste, Drogen- und Jugend-hilfe, Senior:innen, Geflüchtete usw.? Bürger:innen sind fortan „Kunden“.
Mit Unterstützung des Kämmerers baut sich die Dezernentin ein Imperium auf, denn (Zitat) „Die Zuweisung von Personal und Finanzmitteln für die Aufgaben im digitalen Wandel erfolgt auf Basis der Priorisierungen und Entscheidungen im Zentralen Digitalisierungsmanagement.“ (Zitatende). Auch heute gilt: Wer am meisten Personal und Budget hat, hat die Macht.
Als Stadtverordnete zähle ich zum „Souverän“, der Entscheidungen fällt, welche von den Magistratsmitgliedern umzusetzen sind. Nicht umgekehrt. Deswegen fordere ich die Offenlage der Änderungen bei Zusammensetzung der Entscheidungsebene „Reformkommission“ und der daraus folgenden neuen Geschäftsordnung. Beides ist Bestandteil der Beschlussvorlage, wird den Stadtverordneten aber vorenthalten. Der NR 1000 stimmen wir zu.