Gewerbeflächen nachhaltig entwickeln

Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer zu M 151/2020

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: Der Magistratsvorlage M 151/2020 wird unter den Maßgaben zugestimmt, dass

  1. der Klimavorbehalt gegenüber Bauprojekten aus der Klimaallianz (Beschluss § 5019 vom 12.12.2019) wie folgt in das Gewerbeflächenentwicklungsprogramm aufgenommen wird:
    1. im Vorhinein wird bei neuen Baugebieten bzw. Bauvorhaben eine Gesamtbilanz aufgestellt, inklusive grauer Energie und Erschließung,
    2. bei allen Maßnahmen wird der Primärenergieverbrauch minimiert und
    3. der Flächen- und Wasserverbrauch sowie die stadt- und mikroklimatischen Bedingungen werden berücksichtigt,
  2. die Weiterentwicklung und Verdichtung bestehender Industrie- und Gewerbeflächen vor der Ausweisung neuer Industrie- und Gewerbeflächen Priorität hat,
  3. bei der Weiterentwicklung ein Fokus auf die Modernisierung insbesondere hinsichtlich ökologischer Aspekte gelegt wird, d.h. es gilt
    1. Nettonull-Flächenversiegelung für jede neue Flächenvergabe,
    2. das Ziel der Nullemissionen im Bestand aller Industrie- und Gewerbeflächen sowie bei der Neuvergabe/-ansiedlung von Gewerbe,
  4. die Anbindung an den Schienengüterverkehr priorisiert und kein weiterer Ausbau der Bundesautobahnen unterstützt wird,
  5. im Entwicklungsraum Rödelheim (Teilflächen 6.5 Wilhelm-Fay-Straße, 6.5.1 Westerbachstraße, 6.5.2 Eschborner Dreieck, 7.1 Rödelheim West, 7.1.1 Seegewann, 7.1.2 Lorscher Straße, 7.1.3 Lorscher Straße (Zuwachsfläche), 7.2 Continental, 7.2.1 Guerickestraße) geprüft wird, ob eine Weiterentwicklung der Flächen als Gewerbestandort aufgrund der Verkehrssituation sinnvoll ist oder auf den Flächen eine Wohnbebauung mit Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr angestrebt werden kann,
  6. vor der Entwicklung eines zusätzlichen neuen Gewerbegebietes in Nieder-Eschbach zunächst alle vom Ortsbeirat vorliegenden Fragestellungen geklärt werden (OA 594/2020, OA 595/2020, OM 6375/2020) und auf eine Ausweisung verzichtet wird, sofern gravierende ökologische Gründe gegen eine Neuversiegelung sprechen,
  7. keine städtischen Liegenschaften veräußert werden,
  8. sofern neue Bebauungspläne aufgestellt werden sollen, entsprechende Vorkaufssatzungen nach § 25 (1) BauGB in den Geschäftsgang gegeben werden, damit die Stadt sich bei Verkäufen Grundstücke sichern kann,
  9. die Einrichtung der Gesellschaft für die Gewerbeflächenentwicklung ohne private Anteilseigner*innen oder Gesellschafter*innen erfolgt, d.h. die Gewerbeflächenentwicklung ausschließlich in der öffentlichen Hand verbleibt,
  10. bei der Analyse der Büroflächenentwicklung ein besonderer Schwerpunkt auf den Leerstand und die Umnutzungspotenziale von Büroflächen gelegt wird,
  11. urbane Gebiete (§ 6a BauNVO) nur dann zugelassen werden, wenn sichergestellt werden kann, dass kein mietpreiserhöhender Effekt von neu entstehenden Wohnungen ausgeht,
  12. in den aufzustellenden Bebauungsplänen 4.1.1 Unterhafen Intzestraße und 4.1.2. Unterhafen Lindleystraße am Osthafen die Hafenflächen erhalten bleiben und kein mietpreiserhöhender Effekt von möglichen neu entstehenden Wohnungen ausgeht,
  13. Beherbergungsbetriebe nur ausnahmsweise zugelassen werden und
  14. Rechenzentren als eigener Standorttyp des Gewerbeflächenentwicklungsprogramms aufgeführt werden, d.h. die oben festgehaltenen Klimaziele gelten auch für Rechenzentren.

Begründung:

Eine Sicherung der Industrie- und Gewerbeflächen in Frankfurt muss ökologisch, transparent, zukunftssicher und zu Gunsten der Bewohner*innen Frankfurts erfolgen!

Dafür muss die Stadt Frankfurt in der Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen deutliche Akzente setzen: Ziele müssen eine drastische Reduzierung des Energieverbrauchs und eine Abschwächung der Folgen des Klimawandels sein.

Die Stadt Frankfurt leistet dazu ihren Beitrag, indem sie neue Bauvorhaben – ausdrücklich auch im Industrie- und Gewerbebereich – unter einen Klimavorbehalt stellt. Außerdem wird die Modernisierung und Nachverdichtung bestehender Industrie- und Gewerbeflächen gegenüber einer Neuausweisung und weiterer Flächenversiegelung priorisiert. Bestehende Betriebe und neuansiedelnde Unternehmen müssen sich dem Ziel der Nullemissionen verschreiben. Außerdem muss die Erschließung per Straße nachrangig gegenüber der Anbindung an die Schiene werden. Neue Projekte werden dahingehend geprüft, dass ein Ausbau des Straßenverkehrs nicht mehr notwendig ist. Kurz: Auch in der Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen müssen die Klimaziele umgesetzt werden!

Aus planerischer Sicht geht es im Gewerbeflächenentwicklungsprogramm auch darum, wofür die Flächen der Stadt gesichert werden. Um die Gestaltungshoheit zu behalten, schließt die Stadt Grundstücksverkäufe ausdrücklich aus und erlässt zusätzlich Vorkaufssatzungen in den Gebieten, wo neue Bebauungspläne aufgestellt werden sollen. Mit diesem Instrument sichert sich die Stadt die Möglichkeit, neue Flächen zu erwerben, zu verpachten und darüber entscheiden zu können, die Ansiedlung welcher Unternehmen ökologisch und sozial sinnvoll ist, anstatt den Boden privaten Investoren und Firmen zu überlassen.

Sollte eine neue städtische Gesellschaft gegründet werden, so sollte die Stadt alle Anteile daran halten, denn Kooperationen mit privaten Unternehmen führen zu wenig transparenten Strukturen und bodenpreistreibenden Grundstücksgeschäften. Beispiele der jüngsten Vergangenheit sind hier der Riedberg oder der Rebstock.

Immer wieder ist von einem extrem hohen Büroleerstand in Frankfurt von mehreren tausend Quadratmetern die Rede. Die Bundesregierung arbeitet an einer Regelung, um bis zu 25 Prozent Arbeit im Home-Office zu genehmigen. Von einer verminderten Nachfrage nach Büroräumen ist auszugehen. Auch Hotels und andere Beherbergungsbetriebe vermelden – gerade während der Corona-Pandemie – einen Rückgang der Buchungen. Eine längerfristige Abnahme von Präsenzveranstaltungen und Dienstreisen ist anzunehmen. In der neuen Gebietskategorie „urbanes Gebiet“, die vermehrt zum Einsatz kommen soll, sind Beherbergungsbetriebe allerdings uneingeschränkt zulässig. Bevor eine weitere Flächenversiegelung zugunsten von neuen Büro- und Hotelgebäuden erfolgt, sollten die bestehenden Gebäude energetisch auf den neuesten Stand gebracht und voll ausgelastet werden.

Weitere Genehmigungen von Büros und Hotels würden außerdem die Bodenpreise in die Höhe treiben. Diese wirken sich schließlich auch auf die Mietpreise von umliegenden Wohnungen aus. Dabei müssen die Mieter*innen dringend vor weiteren Mietanstiegen geschützt werden und bezahlbarer Wohnraum muss erhalten bleiben.

Die neue Gebietskategorie „urbanes Gebiet“ sieht außerdem Wohnungen als zulässige Gebäude vor (§ 6a Baunutzungsverordnung, BauNVO), während sie in Gewerbegebieten nur ausnahmsweise zulässig sind. Keinesfalls darf dieser Unterschied dazu führen, dass zunehmend teure Wohnungen und Eigentumswohnungen in Gewerbegebieten genehmigt werden, wie es beispielsweise am Westhafen erfolgt ist. Neben den ökologischen Zielen muss die planerische Festlegung der Industrie- und Gewerbeflächen das Ziel verfolgen, dass die Mietpreise von umliegenden Wohnungen nicht steigen und gleichzeitig eine Beschäftigungssicherheit, z.B. für Hafenarbeiter*innen, besteht.

Einen prominenten Platz im Energieverbrauch der Stadt nehmen Rechenzentren ein. Dem sollte im Rahmen des Gewerbeflächenentwicklungsprogramms Rechnung getragen und die entsprechenden Flächen markiert werden. Damit kann die Ökobilanz von Rechenzentren auch innerhalb der Gewerbeflächenentwicklung thematisiert werden.

Besonders gegen die Neuausweisung eines Gewerbegebietes im Frankfurter Norden/ Nieder-Eschbach gibt es viele offene Fragen im Ortsbeirat. Um die demokratische Mitsprache und Transparenz zu wahren, sollten diese Fragen beantwortet werden, bevor das Gewerbeflächenentwicklungsprogramm beschlossen wird. Gutachten im Rahmen des Klimavorbehaltes müssen die ökologischen Fragen klären, bevor das neue Gebiet endgültig beschlossen wird.

DIE LINKE. im Römer

Dominike Pauli und Martin Kliehm

Fraktionsvorsitzende

Antragsteller*innen

  • Stadtv. Ayse Dalhoff
  • Stadtv. Dominike Pauli
  • Stadtv. Eyup Yilmaz
  • Stadtv. Martin Kliehm
  • Stadtv. Merve Ayyildiz
  • Stadtv. Michael Müller
  • Stadtv. Monika Christann
  • Stadtv. Pearl Hahn
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