Energetische Sanierung: Ja! – Mieter*innen-Abzocke: Nein!

Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat verpflichtet die öffentlichen Wohnungsunternehmen, bei denen die Stadt Frankfurt Gesellschafterin ist, Modernisierungskosten nur noch insoweit auf die Mieten umzulegen, dass die Warmmieten nicht steigen (sogenannte Warmmietenneutralität).

  1. Diese Regelung gilt sowohl für die Umlage von Modernisierungskosten nach §559 BGB als auch bei Sozialwohnungen für die Umlage von Modernisierungskosten nach den entsprechenden Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes [II. Berechnungsverordnung] und des Wohnraumförderungsgesetzes.
  2. Die Regelung soll auch auf bereits angekündigte Modernisierungsmaßnahmen angewendet werden, zum Beispiel in Niederrad und Fechenheim.
  3. Die gesetzlichen Pflichten der Unternehmen zur Instandhaltung und Durchführung notwendiger Reparaturen an ihren Liegenschaften haben selbstverständlich weiterhin Bestand. Ebenso besteht die Verantwortung, die Energiebilanz des Gebäudebestandes stetig zu verbessern.

Begründung:

Im Herbst 2019 verschickte die Nassauische Heimstätte in mehreren Siedlungen Modernisierungsankündigungen. Bauarbeiten an einem Haus werden dabei in zwei Kategorien geteilt: Instandhaltungen/Sanierungen und (energetische) Modernisierungen.

Instandhaltungen sind Maßnahmen, die den Zustand der Wohnung erhalten ohne ihn zu verbessern. Werden zum Beispiel kaputte Fliesen, die Wohnungstür oder die Elektroleitungen erneuert, handelt es sich um eine Instandhaltung und der*die Vermieter*in muss für alle entstandenen Kosten aufkommen.

Energetische Modernisierungen sind Maßnahmen, die die Energiebilanz bzw. den Energieverbrauch verbessern. Darunter fallen Baumaßnahmen wie die Dämmung von Dach, Außenwand, Keller, oberster Geschossdecke und/oder Fußboden, der Einbau von besseren Fenstern oder der Einbau neuer Heizungsanlagen. Auch Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Wohnung erhöhen, also eine Verbesserung der Ausstattung darstellen, sind Modernisierungen. Das können zum Beispiel neue (und bessere, weil z. B. wassersparende) sanitäre Anlagen sein oder der Anbau eines Balkons. Diese Maßnahmen muss der Vermieter bzw. die Vermieterin den Mieter*innen mindestens drei Monate vor Baubeginn ankündigen.

Das Problem daran ist, dass laut Bundesgesetz bis zu acht Prozent der Kosten für die energetische Modernisierung auf die Miete umgelegt werden können (§559 BGB), die sogenannte Modernisierungsumlage. Auch bei Sozialwohnungen können die Mieten nach einer Modernisierung steigen. Grundlage hierfür sind die entsprechende Vorschrift des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. Berechnungsverordnung) und das Wohnraumförderungsgesetz.

Die Baumaßnahmen zur Modernisierung werden von den Mieter*innen bezahlt. Das Gesetz orientiert sich jedoch nicht an der durch den Umbau eingesparten Energie oder deren Kosten, sondern ausschließlich an den Baukosten. Da Baumaßnahmen – gerade an großen Mehrfamilienhäusern – oft sehr teuer sind, kann das viel Geld sein. Anfang 2019 wurde zwar eine Maximalgrenze für Mieterhöhungen von drei Euro pro Quadratmeter eingeführt. Aber auch mit dieser Begrenzung können die Mieten einzelner Wohnungen nach einer Modernisierung immer noch um hunderte Euro steigen – abhängig von Ausgangsmietpreis und Wohnungsgröße. Viele Menschen können das nicht zahlen.

Für viele Bewohner*innen bedeutet das, dass sie in anderen Bereichen sparen müssen oder sich die Miete gar nicht mehr leisten können. Dann müssen sie ausziehen, meist sogar in einen anderen Stadtteil oder in einen anderen Ort. Bei einer anschließenden Neuvermietung kann der Vermieter oder die Vermieterin die Wohnung dann noch teurer vermieten. Die steigenden Mieten im Bestand wirken sich indirekt über den Mietspiegel auf die Mieten in den Nachbarwohnungen und in der gesamten Umgebung aus. Deshalb gibt es oft Proteste und Widerstände gegen Maßnahmen der energetischen Modernisierung. Dabei sind die Bewohner*innen meist nicht gegen die Umbaumaßnahmen, sondern wehren sich gegen Mieterhöhungen und Verdrängung.

Zum Teil liegt auch der Verdacht nahe, dass Wohnungsunternehmen dringend notwendige Instandhaltungen – für die sie verantwortlich sind und für die sie nicht die Miete erhöhen dürfen – solange verschleppen bis sie sie mit lukrativen Modernisierungsmaßnahmen kombinieren können. Erhebungen zeigen zum Beispiel für Berlin, dass die Mietsteigerungen durch die Modernisierungsumlage durchschnittlich drei Mal so hoch sind wie die durch die Modernisierung eingesparten Energiekosten. Oft bringen die Modernisierungsmaßnahmen gar keine spürbaren Miet- und Energieeinsparungen. Energetische Modernisierung lohnt sich nach diesem System finanziell nur für die Vermieter*innen. Das darf nicht so bleiben – die Kosten von Maßnahmen einer Energieeinsparung dürfen nicht allein auf die Schultern der Mieter*innen abgewälzt werden!

Von der Modernisierungsumlage macht nun die Nassauische Heimstätte (NH) Gebrauch. Die NH ist ein öffentliches Wohnungsunternehmen, an dem zu 29 Prozent die Stadt Frankfurt beteiligt ist und zu weiteren 59 Prozent das Land Hessen.

Da die Umlagefähigkeit der Kosten der energetischen Modernisierung auf Bundesebene im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, hat die Stadt keinen direkten Einfluss darauf, dieses absurde Gesetz abzuschaffen. Sie kann allerdings sehr wohl ihren eigenen Wohnungsunternehmen – der NH und der ABG Frankfurt Holding – die Auflage erteilen, dass sie die Modernisierungskosten nicht auf die Mieter*innen umlegen soll. Die Warmmietenneutralität bedeutet, dass die Warmmieten nach Modernisierungsmaßnahmen nicht steigen dürfen.

Mit dieser Auflage – Durchführung sinnvoller Modernisierungen, aber keine Mieterhöhungen bei energetischer Modernisierung – kann die notwendige energetische Modernisierung des großen öffentlichen Gebäudebestands in Frankfurt sozialverträglich von statten gehen. Mieter*innen sollen keine Angst mehr vor den Ankündigungen einer Modernisierung haben. Modernisierungen würden nur noch dann sinnvoll sein, wenn sie tatsächlich nachhaltig Energie einsparen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Notwendig sind Modernisierungen zum einen, um die immer weiter steigenden Nebenkosten zu reduzieren. Für viele sind die Nebenkosten, insbesondere die Heizkosten, eine deutliche Belastung und werden deshalb auch als „zweite Miete“ bezeichnet. Durch energetische Modernisierungen können die Nebenkosten sinken und damit die Miethaushalte finanziell entlastet werden. Energiekosten dürfen kein Armutsrisiko sein und es sollte selbstverständlich sein, dass niemand frieren soll, weil sie*er sich die Heizkosten nicht leisten kann.

Zum zweiten sind energetische Modernisierungen deswegen notwendig, weil der Gebäudebestand in Deutschland insgesamt maßgeblich Energie verbraucht und Emissionen produziert: Ein Drittel der energiebedingten CO2-Emissionen und etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs werden von oder in Gebäuden verursacht. Mehr als die Hälfte dieses Energieverbrauchs fällt in Wohngebäuden an, hauptsächlich durch Heizung und Warmwasser. Wer die Energiewende ernst meint, muss also die Energiebilanz des Gebäudebestandes verbessern. Aber eben nicht auf Kosten der Mieter*innen, sondern sozial und ökologisch!

Mit einem Wohnungsbestand von ca. 68.200 in Frankfurt haben NH und ABG einen deutlichen Einfluss auf die Energieverbrauch und die Mietpreise in Frankfurt. Das öffentliche Wohnungsunternehmen GWH, Genossenschaften und private Wohnungsunternehmen sollten nicht aus der Verantwortung einer sozial-ökologischen Mietenpolitik entlassen werden und ähnliche Regelungen in Erwägung ziehen.

DIE LINKE. im Römer

Dominike Pauli und Martin Kliehm

Fraktionsvorsitzende

Antragsteller*innen

  • Stadtv. Ayse Dalhoff
  • Stadtv. Dominike Pauli
  • Stadtv. Eyup Yilmaz
  • Stadtv. Martin Kliehm
  • Stadtv. Merve Ayyildiz
  • Stadtv. Michael Müller
  • Stadtv. Monika Christann
  • Stadtv. Pearl Hahn
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