Bei dem Schneckentempo wird der barrierefreie Umbau des ÖPNV wohl eher im Jahr 2035 erfolgt sein

33. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Mai 2019

Tagesordnungspunkt 12: Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Erika Pfreundschuh:

Danke, Herr Frischkorn! Das Wort hat nun Frau Stadtverordnete Dalhoff von den LINKEN, ihr folgt Frau Stadtverordnete Schubring von der CDU-Fraktion. Bitte, Frau Dalhoff, Sie haben das Wort!

Stadtverordnete Ayse Zora Marie Dalhoff, LINKE.:

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Auch wir LINKEN finden, dass es dumm gelaufen ist, dass es nur im Ausschuss für Soziales und Gesundheit gelandet ist. Auch wir wollen, dass der Bericht der UN‑Behindertenrechtskonventionen in allen Ausschüssen behandelt wird. Gerade deshalb, weil man dann sehen kann, wo es hakt. Man hätte viel früher darauf reagieren können. Das ist unsere Kritik daran.

Die Stadt Frankfurt ist verpflichtet, den ÖPNV bis zum 1. Januar 2022 vollständig barrierefrei zu gestalten. Eigentlich hat sie faktisch dieses Ziel schon vor Jahren aufgegeben. Bei dem Schneckentempo, das sie bei dem Umbau an den Tag legt, wird es vielleicht im Jahr 2030 soweit sein, aber wohl eher 2035. Verwaltungsintern soll es eine Prioritätenliste geben. Man sollte meinen, priorisiert werden die Haltestellen mit dem dringendsten Bedarf, aber Pustekuchen. Planerisch herausfordernde Haltestellen, also vor allem die verkehrsintensiven, werden in der Liste weit nach hinten geschoben. Abgearbeitet werden diese, die weit weg vom Schuss liegen.

Das alles ist ein Versagen sehendes Auges. Ja, ich sage bewusst sehendes Auges, weil hier ganz klar die Mehrheitsgesellschaft das Teilhaberecht von Menschen mit Behinderungen einfach so auf die lange Bank schiebt, es schlichtweg ignoriert. Ignoriert, so wie Sie die Belange von Mobilitätseingeschränkten bei der Gestaltung der Altstadt einfach einmal ignoriert oder von Vornherein ausgeschlossen haben, wie beim Neubau des Goetheturms, wo einfach darauf verzichtet wird, Gehbehinderten den Zugang zu ermöglichen. Oder einfach einmal mit den Schultern zu zucken, dass zurzeit wieder alte Bahnen durch Frankfurt rollen, die nicht barrierefrei sind. Na ja, man kann ja auf die nächste Bahn warten.

Warten scheint die Devise zu sein, die über allem steht. Warten auf barrierefreie Wagen. 2021 sollen welche kommen. Na super, das dauert ja noch. Warten auf barrierefreie Haltestellen. Übrigens, auch die schon umgebauten sind häufig nicht gänzlich barrierefrei. Schauen wir einmal auf die fertiggestellten Haltestellen im Westend und dem Mitscherlichplatz. Da hakt es noch gewaltig. Und auch im Bereich Bildung und in der Kinder- und Jugendhilfe gibt es enormen Nachholbedarf. Eine Pädagogik der Vielfalt bedeutet, dass sich nicht die Kinder an das System anpassen müssen, sondern dass sich die Einrichtungen der Bedarfe einer wachsenden Heterogenität anzupassen haben. Dazu müssen sie fachlich, finanziell und pädagogisch so ausgestattet sein, dass wir alle Kinder in ihrer Heterogenität bei ihrer Persönlichkeitsentfaltung unterstützen und ihnen das Recht auf Teilhabe ermöglichen können.

(Beifall)

Der Anspruch ist enorm und hat nicht weniger als das maximal Beste für alle Kinder zu sein. Umso erschreckender ist es, dass gerade einmal 40 Prozent der Kindertageseinrichtungen Integrationsmaßnahmen begleiten, dass 2017 nur 186 Fälle im Hort begleitet wurden, während Eltern gerade Sturm laufen, weil sie erst gar keinen Hortplatz für ihre Schulkinder bekommen, dass Fachkräfte genauso fehlen wie Räumlichkeiten und 2015 und 2016 trotz 10-jährigem Bestehen der UN-Behindertenrechtskonventionen die Integrationsmaßnahmen nicht einmal mehr erfasst wurden, wohl gemerkt Integration und nicht Inklusion.

Die Inklusion in Frankfurt muss vorbildlicher werden. Die FBAG darf nicht nur angehört und dann ignoriert werden. Und eine Stabsstelle mit Showveranstaltungen, mit denen glänzende Oberflächen hergestellt werden, wird bei Barrierefreiheit in den Schulen, beim Bau und bei der Mobilität auf der Strecke bleiben. Das ist einfach zu wenig. Frankfurt für alle sieht anders aus.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

Dieser Beitrag wurde unter Ayse Dalhoff veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben