Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
- Die Stadt Frankfurt am Main richtet einen Fonds ein, um Hafttage für Personen aufzulösen, die aufgrund der Strafanträge von städtischen Beteiligungsgesellschaften wegen „Fahren ohne Fahrschein“ in Haft sind. Für jeden Monat, in dem Frankfurter Beteiligungsgesellschaften weiter Strafanträge wegen „Fahren ohne Fahrschein“ stellen, sind in diesen Fonds mindestens € 10.000,- einzuzahlen.
- Der Magistrat trägt dafür Sorge, dass die Verfolgung von Fahren ohne Fahrschein per Strafantrag durch städtische Beteiligungsgesellschaften beendet wird. Die Regelungen zum erhöhten Beförderungsentgelt bleiben unberührt.
Begründung:
In den letzten Jahren immer wieder und aktuell wieder seit Monaten sind in der Stadtverordnetenversammlung Anträge anhängig, deren Ziel es ist, dass keine Strafanträge für Fahren ohne Fahrschein durch städtische Beteiligungen mehr gestellt werden.
Diese Anträge werden weiter von der Koalition zurückgestellt. In der Zwischenzeit werden weiter Menschen für ein Armutsdelikt ins Gefängnis gesteckt – weil sie sich kein Ticket leisten und die Ersatzfreiheitsstrafe nicht begleichen können. Der Großteil der Betroffenen ist arm, leidet an psychischen und sozialen Krisen. Die meisten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Fahrens ohne Fahrschein absitzen, sind arbeitslos, jede*r Dritte suchtkrank und mehr als ein Achtel obdachlos. Die Betroffenen sind mit dem erhöhten Beförderungsentgelt und ihrer oftmals ohnehin prekären Lage gestraft genug.
Gleichzeitig belasten die Vielzahl an Verfahren die Gerichte und Staatsanwaltschaften. Der ehemalige hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) bekannte 2022, die strafrechtliche Verfolgung von Menschen, die ohne Fahrschein fahren, binde „erhebliche und eben möglicherweise auch unverhältnismäßige Ressourcen“[1]. Auch eine Studie hat mittlerweile geschätzt, dass die Bundesrepublik jedes Jahr etwa 114 Millionen Euro aufwendet, um das Fahren ohne Fahrschein zu verfolgen, zu verurteilen und die Urteile zu vollstrecken. Die Zahl verdeutlicht, welche erhebliche Kapazitäten die Strafverfolgung des § 265a StGB bindet[2].
Dies anerkennend, verzichten Bremen, Bremerhaven, Bonn, Dresden, Düsseldorf, Halle, Karlsruhe, Köln, Leipzig, Mainz, Münster, Potsdam und Wiesbaden bereits darauf, Strafanträge zu stellen. Frankfurt am Main sollte dem Beispiel dieser Kommunen folgen und ebenfalls auf das Stellen von Strafanzeigen für Fahren ohne Fahrschein verzichten.
Eine weitere Verschleppung dieser Thematik ist für die Betroffenen wie auch für die Steuerzahlenden unzumutbar.
Die Linke im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragstellende:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
[1] „Justizminister zeigt sich offen für Straffreiheit für Schwarzfahrer, Artikel auf hessenschau.de vom 11.10.2022, https://www.hessenschau.de/politik/hessens-justizminister-zeigt-sich-offen-fuer-straffreiheit-fuer-schwarzfahrer-v1,poseck-schwarzfahren-100.html
[2] Bögelein, Nicole / Wilde, Frank: Der Rechtsstaat und das Fahren ohne Fahrschein (§ 265a StGB) – Was kostet die Verfolgung eines umstrittenen Straftatbestands?, in: Kriminalpolitische Zeitschrift 5/2023, online: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2023/09/boegelein-wilde-fahren-ohne-fahrschein-was-kostet-die-verfolgung-eines-umstrittenen-straftatbestands.pdf