Es muss für alle sicher sein in dieser Stadt, egal, wie sie sind, wer sie sind, denn letztlich sind wir alle gleich.

14. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 14. Juli 2022

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

 

Frau Vorsteherin,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es gibt etwas, was uns eint, und das ist die Erfahrung von Schutzlosigkeit, die man schon früh erfahren hat. Egal, wie wir uns unterscheiden, egal, wie wir sind, wie singulär wir sind, irgendwie hat man als queerer Mensch doch immer ein gemeinsames Gefühl, und das ist das Gefühl, nie wirklich sicher zu sein. Was uns eint – und das wollen wir alle nicht – ist, dass man viel zu oft Objekt von Ausgrenzung war, Objekt von Ausgrenzung ist. Was es noch viel schlimmer macht – was uns aber auch eint -, ist, dass wir Objekte der Gewalt von viel zu vielen Hassenden sind in dieser Stadt, in dieser Gesellschaft. Das ist leider noch die Realität. Wenn wir jetzt davon gesprochen haben – und viele Reden, die hier gehalten wurden, waren sehr gut -, dass die Hasskriminalität und die Gewalt gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zunimmt – und sie nimmt überall in Deutschland zu, in allen Städten, Frankfurt ist da kein Einzelbeispiel -, dann muss uns das aufrütteln und aufwecken.

Was wir klarmachen müssen, ist, dass diese Straftaten zwar auf Individuen zielen, aber sie wollen eine ganze gesellschaftliche Gruppe treffen. Das ist das Perfide. Es geht nicht nur um den Einzelnen, der betroffen ist, es geht nicht nur um den Einzelnen, der geschlagen wird. Es ist immer ein Angriff auf alle. Es ist nicht nur ein Angriff auf die queere Community, meine lieben Freundinnen und Freunde, es muss als ein Angriff auf alle gesehen werden. Nur dann schaffen wir die gesellschaftliche Solidarität, die notwendig ist, um dieser Gewalt zu begegnen. Es ist grausam und schrecklich, die Erfahrung zu machen, dass man sich nicht sicher fühlt im öffentlichen Raum, dass man bestimmte Orte meidet. Das ist eine wahre Einschränkung der Freiheit, eine Einschränkung der individuellen Freiheit, und auch das ist eine Erfahrung, die queere Menschen mit Refugees und mit PoC teilen. Dieses Gefühl, nicht sicher zu sein im öffentlichen Raum, eine Einschränkung der individuellen Freiheit zu erleben – und das in einer Gesellschaft, die eigentlich von sich behauptet, liberal und frei zu sein -, muss doch uns alle alarmieren.

Was wir alle auch wissen – Frau David hat es gesagt -, ist, dass die Dunkelziffer viel höher ist. Wie in vielen anderen gesellschaftlichen Problemlagen ist auch da die Dunkelziffer viel höher. Viele Menschen äußern sich nicht, wenn sie stigmatisiert werden, wenn sie queere Gewalt erfahren. Viele gehen nicht zur Polizei. Viele machen es mit sich aus und leiden im Stillen. Deswegen müssen wir das öffentlich machen. Ich bin Ihnen und euch dankbar, dass ihr es in den Ausschüssen öffentlich gemacht habt, dass ihr hierhergekommen seid, dass ihr euch die Debatte angehört habt. Es ist auch gut für uns, dass wir zu dieser späten Stunde, nach diesem langen Tag, so eine gute Diskussion führen. Das ist gut für uns, das ist gut für die Kommunalpolitik in dieser Stadt, und es ist gut, weil ab morgen der CSD ist. Es ist richtig, dass wir hier ein Signal der Geschlossenheit setzen, dass wir einen starken CSD feiern, dass wir damit auch ein Signal aussenden, mehr als Reden, mehr als Worthülsen, nämlich zeigen, dass die Leute nicht alleine sind. Wir werden uns aber immer streiten. Politisch und auch innerhalb der Community streitet man über den richtigen Weg, darüber, was die richtigen Maßnahmen sind. Es ist okay, weil der Streit dazugehört. Von daher kann ich als Linker sagen: Ob mehr Polizei und ob mehr Kameras jetzt die richtige Lösung sind, darüber müssten wir noch sprechen. Aber was wichtig ist, ist die Stärkung von Beratung, die Stärkung von Prävention, die Stärkung von Sozialarbeit, um die Ursache zu bekämpfen. Was ist die Ursache für diesen tief verankerten queerfeindlichen Rassismus in unserer Gesellschaft? Wir müssen uns ehrlich fragen, ob wir ihn bekämpfen mit mehr Polizei. Wir suggerieren vielleicht nur Sicherheit. Aber das wirkliche Problem an der Wurzel zu packen, verlangt von uns große Anstrengung, verlangt von uns den Dialog und die Bereitschaft, auch Unwahrheiten auszusprechen und Diskussionen zu führen, zu ringen und zu streiten, wie wir es hier gemacht haben. Der übergroße Teil der Anwesenden hat ein ehrliches Interesse, Queerfeindlichkeit zu stoppen. Man muss auch sagen, Queerfeindlichkeit ist Rassismus. Deswegen können die, die mit ihrem Parteiprogramm für Rassismus stehen, auch wenn sie teilweise das Gegenteil behaupten, nicht Teil unserer Lösung sein, die klammere ich explizit aus.

 

Aber jetzt wünsche ich uns allen wirklich einen tollen Pride. Ja, nur ein Weekend, aber, Frau Bürgermeistern, wir machen es zum Pride Month. Wir müssen schauen, dass wir besser werden. Auch Toronto könnte ein Vorbild sein, aber wir müssen die Sichtbarkeit nicht nur auf ein Wochenende konzentrieren. Queeres Leben ist das normale Leben. Ich will da gar keine Differenziertheit. Queer ist normal, so wie alles andere. Es muss völlig egal sein, wen man liebt und wie man lebt. Es muss für alle sicher sein in dieser Stadt, egal, wie sie sind, wer sie sind, denn letztlich sind wir alle gleich.

 

Vielen Dank!

 

(Beifall)

 

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