Tag der Befreiung – Wir haben ihn gefeiert

Lena Carlebach sprach über Erinnerungskultur und ihre Notwendigkeit.

Hunderte folgten der Einladung der Fraktion DIE LINKE. im Römer, des DGB, der Bildungsstätte Anne Frank und des VVN BdA den Tag der Befreiung auf dem Römerberg zu feiern.
Auf dem Programm standen Zeitzeugengespräche, Interviews, Diskussionen zu Verfolgung und Nationalsozialismus, Antisemitismus, Krieg, Widerstand und Antifaschismus.
Die Enkelin des Widerstandskämpfers Emil Carlebach, Lena Carlebach und Thomas Altmeier vom Studienkreis deutscher Widerstand sprachen zunächst über Erinnerungskultur und ihre Notwendigkeit, gerade in der heutigen Zeit.
Auf die Frage, ob Jugendliche sich noch für die NS-Vergangenheit interessieren, gäbe es keine klare Antwort, sagte Thomas Altmeier. Er sieht das Problem eher in der Form der Erinnerungsarbeit.
Carlebach und Altmeier machten deutlich, dass mit der Erinnerung an die NS-Zeit die Bedeutung von Widerstand gegen Rechte und Faschisten in der Gegenwart besser begriffen werde.
Renata Harris und Eva Szepesi sprachen im Zeitzeugengespräch über ihre Geschichte während des Nationalsozialismus. Renata Harris konnte 1939 im Zuge der Kindertransporte Deutschland in Richtung Großbritannien verlassen. Eva Szepesi dagegen überlebte als 12-Jährige Auschwitz.
Renata Harris wiederholte ihren persönlichen Wunsch an die Stadt Frankfurt ein Denkmal für die Kindertransporte zu errichten.
Die Frankfurter Ehrenbürgerin Trude Simonsohn sprach mit Martin Kliehm darüber, wie sie den 8. Mai 1945 erlebte. „Erst einmal ganz befreit, dass wir nicht mehr Angst um unser Leben haben müssen. Endlich die Freiheit. Also ganz euphorisch“, sagte Simonsohn. Doch nach einer Weile mussten sie sich der Realität stellen. „Alle haben überlegt, wer hat von den Leuten, Kindern, Eltern usw. überlebt?“
Antisemitismus und Rassismus ist in Deutschland trotz Erinnerungsarbeit immer noch gegenwärtig. Was den heutigen Antisemitismus ausmacht, darüber sprachen Prof. Dr. Julia Bernstein von der Frankfurt University of Applied Sciences und Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank. Ausgangspunkt des Gesprächs waren die neuesten antisemitischen Vorkommnisse in Berlin und im Rahmen der Echo-Verleihung.
Doch beide warnten davor, den heutigen Antisemitismus bestimmten Einwanderergruppen zuzuschreiben, wie es derzeit von manchen Politikern gerne gemacht wird.
Warum das Erinnern und Gedenken weiterhin so wichtig ist, machte das Gespräch mit dem Gewerkschaftssekretär Alexander Wagner deutlich. Die Auseinandersetzung mit dem Faschismus sollte nicht nur aus einer historischen Perspektive stattfinden, sagte er. Es sei wichtig, immer einen Bezug zu Heute zu ziehen. „Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Situation – mit einem starken Rechtsruck in der Gesellschaft, dem Einzug der AfD in Parlamente, Dinge, die lange nicht gesagt wurden, werden wieder gesagt – sehen wir es als unsere Aufgabe an, nach dem Motto `Wehret den Anfängen´ an deutsche Geschichte zu erinnern“, erklärt Wagner.

Prof. Dr. Julia Bernstein und Eva Berendsen sprachen darüber, was den heutigen Antisemitismus ausmacht.

Welche Rolle Deutschland 73 Jahre nach der Befreiung bei Kriegen spielt, darüber diskutierten Leyla Karadeniz vom kurdischen Frauenrat Amara und Anita Starosta von medico international vor dem Hintergrund des Krieges in den kurdischen Gebieten in Nordsyrien.
Starosta, die vor kurzem in der Region war, berichtete zunächst über die aktuelle Lage im selbstverwalteten Kanton Afrin, das von der türkischen Armee besetzt wurde.
Leyla Karadeniz machte deutlich, dass mit dem Einzug der türkischen Armee in Afrin eine fortschrittlich-demokratische Gesellschaftsstruktur, in der insbesondere Frauen mehr Rechte hatten, zerstört wurde. Deutschland habe sich mit den Waffenlieferungen an die Türkei während des Angriffs auf Afrin daran beteiligt.
Anders als in anderen europäischen Ländern ist der 8. Mai in Deutschland kein gesetzlicher Feiertag. Dass er zu einem wird, fordern DIE LINKE und der VVN-BdA schon lange.
Die meisten Besucher*innen auf dem Römerberg sahen das ähnlich.
Den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann haben sie auch auf ihrer Seite.
Neben den Gesprächen stand Musik und Tanz auf dem Programm. Schließ war das Motto der Kundgebung „Wer nicht feiert, hat verloren“. Für die Feierstimmung sorgten das Roman Kuperschmidt Ensemble, die Gruppe Hotel Ost mit Balkan-Klezmer, die israelische Elektronik-Künstlerin Ofrin und zum Abschluss die queerfeministische Rapperin Sookee.

Hier können Sie alle Gespräche als Video abrufen.
Mehr Bilder von der Kundgebung finden Sie hier.

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