Parkraum in Lebensraum umwandeln

35. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 29. August 2019

Tagesordnungspunkt 7: Änderung der Satzung über die Gebühren an Parkzeituhren und Parkscheinautomaten in Frankfurt am Main

Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier

Als nächster Redner hat Herr Stadtverordneter Kliehm von der LINKEN das Wort, die das Thema auch zur Tagesordnung I angemeldet hat. Danach folgt Herr Stadtverordneter Emmerling von der SPD-Fraktion, anschließend Frau Stadtverordnete Rinn von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kliehm!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Wolfgang Siefert!

Ich bin ein bisschen überrascht, weil viele Punkte in diesem von der Koalition eingebrachten Antrag, den wir jetzt verabschieden, habe ich schon vor sieben Jahren vorgeschlagen. Ich kann es nur immer wieder erwähnen. Wer war damals Verkehrsdezernent? Ein Grüner.

(Beifall)

Die GRÜNEN hätten es damals machen können, aber jetzt haben sie es Klaus Oesterling überlassen. Der Punkt ist: In Frankfurt würde sich diesbezüglich null bewegen. Da muss erst eine Umwelthilfe kommen und eine Klage einreichen. Nur mit diesem Damoklesschwert Dieselfahrverbot bewegt sich in dieser Koalition überhaupt erst einmal etwas. Wir sehen es ja jetzt in dem aktuellen Beispiel. Da ist endlich das Mainufer gesperrt, nachdem es für das Museumsuferfest sowieso gesperrt war, nur jetzt eben ein bisschen länger. Die Menschen fangen an, diese Fläche für sich zu entdecken, und wer kommt an und kritisiert das? Die GRÜNEN. Das kann ja wohl nicht wahr sein.

(Beifall, Zurufe)

Ich glaube tatsächlich, erst wenn das Urteil in der nächsten Instanz kommt, dann wird Frankfurt gezwungen zu reagieren, dann werden wir noch ganz andere Maßnahmen durchführen müssen, um die Gesundheit der Frankfurterinnen und Frankfurter zu schützen. Ich habe manchmal den Eindruck, ihr vergesst das, indem ihr sagt: „Oh Gott, wir wollen bloß kein Dieselfahrverbot.“

Aber zurück zum Magistratsvortrag. Insgesamt sind dort mehrere sehr gute Sachen enthalten, zum Beispiel das Handyparken. Handyparken kann man viel leichter flächendeckend machen, als überall Parkscheinautomaten aufzustellen. Das liegt schon in der Natur der Sache. Bei dem einen muss ich nur ein Blechschild aufhängen, bei dem anderen muss ich einen Parkscheinautomaten aufstellen, der ungefähr 10.000 Euro kostet. Dieser würde sich sehr schnell wieder amortisieren, aber tatsächlich sind Schilder einfacher. Wie dann, wie in dem Vortrag gefordert, minutengenau die Parkdauer überwacht werden soll, ist mir noch ein bisschen schleierhaft, aber auch dafür gibt es technische Lösungen, beispielsweise aus Paris, wo es Elektrosensoren im Boden gibt. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit.

„Förderung der E-Mobilität“ steht darin, aber das Problem bei der E-Mobilität, bei Elektroautos, ist nicht, dass sie keinen Platz finden, wo sie sich hinstellen lassen, oder dass sie 50 Cent pro 15 Minuten Parkgebühr weniger zahlen, sondern das Problem ist die mangelnde Infrastruktur an Ladestationen. Darüber haben wir auch schon öfter geredet, in dem Bereich muss sich definitiv etwas tun.

Mit den Parkscheinautomaten, wo jetzt die Parkgebühren erhöht werden, ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hatte 2012 das Beispiel beschrieben. Damals hat in der Amsterdamer Innenstadt das Parken in der Innenstadt fünf Euro gekostet, mit vier Euro gehen wir jetzt in diese Richtung, und in den peripheren Stadtteilen in Amsterdam kostet es einen Euro pro Stunde. Da sind wir mit zwei Euro teurer. Aber in diese Richtung muss es gehen. Der Unterschied ist nur, dass wir in Frankfurt ungefähr 380 Parkscheinautomaten haben – das ist mein letzter Stand -, während es in Amsterdam zehnmal so viele sind. Da werden also viel mehr Flächen bespielt, die in Frankfurt noch frei beparkt werden können. Das ist genau das, was das Gericht auch kritisiert hat, dass man in Frankfurt überall kostenlos parken kann. Ich finde es insgesamt sehr schlau, bei dem ruhenden Verkehr anzusetzen und an die Parkgebühren heranzugehen. Das finde ich besser, als über eine Citymaut zu reden, bei der ich mich erst einmal frage, wie die Infrastruktur sein muss, um die Mautgebühren zu erfassen, während wir Parkgebühren sowieso kontrollieren.

Es ist aber nur ein erster Schritt, um eine Verkehrswende einzuleiten. Wir sehen es in anderen Städten. Der Parkraum wird dort schrittweise reduziert. Der Verkehrsausschuss war in Kopenhagen. Dort wird um drei Prozent pro Jahr der Parkraum reduziert, und die Menschen werden es überleben. Neben Kopenhagen macht das zum Beispiel auch Amsterdam, und – wie ich heute in der Zeitung gelesen habe – Berlin bringt es auch ins Spiel. Dort hat es zuerst die grüne Umweltdezernentin gebracht, jetzt greifen es die LINKEN auf. Frau Heilig, möchten Sie nicht einmal in der Koalition den Vorschlag machen – das wird bestimmt auf offene Ohren treffen -, die Parkplätze in Frankfurt jedes Jahr um ein Prozent zu reduzieren? Wir wären dabei.

Dieser Parkraum wird nämlich in Lebensraum umgewandelt. Wir sehen es jetzt am Mainufer, dass die Menschen es annehmen. Da müssen wir aber nicht nur an die bezahlten Parkplätze heran. In Amsterdam wird schrittweise auch das Anwohnerparken reduziert, weil man gemerkt hat, dass begrünte Fahrrad-, Fußgänger- und Spielstraßen einfach mehr Lebensqualität bieten als ein großer Parkplatz. Wir müssen im Zuge dessen die Stellplatzsatzung noch einmal anpassen, wo zwar jetzt die Parkplätze in U-Bahn-Nähe und mit guter Verkehrserschließung reduziert sind, die gebaut werden müssen, aber es müssen immer noch relativ viele gebaut werden. Ich denke, das ist noch eine Stellschraube, bei der wir uns im Kopf sagen müssen, es muss nicht automatisch so sein, wenn neue Gebäude entstehen, dass dort auch immer mehr Parkplätze entstehen.
Es wird aber auch weiterhin Autos in der Stadt geben. Im Verkehrsausschuss klang ein bisschen die Sorge an, was machen dann die Alten und Gehbehinderten? Sie werden wahrscheinlich weiterhin Auto fahren, solange, bis beispielsweise unser öffentlicher Nahverkehr vollständig barrierefrei ist. Es wird weiterhin Autos in der Stadt geben für Handwerksbetriebe, für alte Menschen, für Menschen mit Behinderungen, Taxis und Omnibusse. Aber über den Rest müssen wir anfangen zu diskutieren, und da ist das jetzt erst der erste Schritt.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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