„Kurs halten“ in die falsche Richtung

2. Stadtverordnetenversammlung am 12. Mai 2016

TO 7: Entwurf der Nachtragssatzung zur Haushaltssatzung der Stadt Frankfurt am Main

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Bevor ich inhaltlich auf ein paar Punkte eingehe, würde ich gerne einen Appell an die Kämmerei richten: Herr Becker, vielleicht hören Sie ausnahmsweise auch den LINKEN einmal zu. Mit diesem Entwurf des Nachtragshaushaltes wurde es leider überhaupt nicht geschafft, das Ding lesbar zu gestalten. Wir haben das in einem kommunalen Arbeitskreis besprochen. Da sitzen Leute drin, die durchaus sprachliche Sperrigkeiten gewohnt sind, aber mit dieser Vorlage haben sie sich wirklich schwer getan. Bei der Beschreibung zum Projekt Riedberg finden Sie zwei Sätze, die aus 95 Wörtern bestehen. Das ist nicht leicht lesbar. Wenn es darum geht, dass sich ein paar mehr Leute für die Thematik interessieren, nicht nur Fachleute oder solche wie wir, die da durch müssen, wäre es sehr schön, Herr Becker, wenn Sie sich vielleicht bei Ihrer Kollegin Frau Professor Birkenfeld ein bisschen Entwicklungshilfe holen könnten. Die hat nämlich mittlerweile etliche Erfahrungen im Verfassen von Texten in sogenannter leichter Sprache. Das ist eine Anregung, die man einmal aufgreifen könnte, auch wenn sie von uns kommt.

(Beifall)

Zunächst einmal etwas Erfreuliches. Herr Kämmerer, Sie haben das mit einer stabilen und soliden Finanzlage in Frankfurt beschrieben. Das kann man wohl sagen. Frankfurt steht finanziell richtig gut da. Frankfurt ist nicht überschuldet. Wir hatten im ersten Drittel dieses Jahres schon 68 Millionen Euro mehr Gewerbesteuereinnahmen als im Vorjahr. Es wurde schon mehrfach vorgetragen. Wir hatten 176 Millionen Euro Überschuss im Jahr 2015 und dabei noch 68 Millionen Euro Schulden getilgt. Frankfurt steht wirklich gut da. Das sieht man auch anhand der Zinslastquote. Das, Frau Rinn, beruhigt vielleicht auch Sie in bisschen für die Zukunft, dass Frankfurts solide Finanzen nicht im Unterbau durch die Zinszahlungen ausgehöhlt werden, denn die Zinslastquote beträgt gerade einmal 1,73 Prozent im Jahr. Zum Vergleich: Die Stadt Köln hat eine Zinslastquote von drei Prozent und hat sich in ihren jüngsten Publikationen sehr erfreut gezeigt, dass sie die halten kann. Frankfurt steht gut da, hat hohe Einnahmen und sehr gute Gewerbesteuereinnahmen. Und obwohl die Stadt aus dem KFA für 2016 knapp 136 Millionen Euro weniger erhält, wird eine Zunahme der Erträge von 47,36 Millionen Euro erwartet. Das können Sie auf Seite sieben der Vorlage M 61 nachlesen.

Alles ist gut. Herr Becker, Sie haben Ihre Rede unter die Ãœberschrift „Kurs halten“ gesetzt. Finanziell ist alles gut, aber dieses „Kurs halten“ macht mich doch etwas unruhig. Denn erstens muss ich in der Vorlage M 61 lesen, dass Sie leider – wie viele andere Fraktionen in diesem Hause auch – immer noch Ihrem Fetisch, der schwarzen Null, hinterherlaufen, und das in einer absoluten Niedrigzinsphase. Sie haben im Jahr 2014 weniger Kredite aufgenommen, weil Sie weniger – nach Ansicht der LINKEN viel zu wenig – investiert haben. Vor allem, wenn Sie sehen, wie schleppend die Sanierung der maroden Schulen vorankommt, wenn Sie bedenken, dass kommunale Investitionen als Wirtschaftsmotor und als Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen sehr wichtig sind, wenn Sie das alles bedenken, dann ist die Investitionsquote der Stadt Frankfurt viel zu niedrig und sollte deutlich erhöht werden.

(Beifall)

So schön es ist, das finde ich auch sehr lobenswert für unsere Stadt, die humanitäre Sprechstunde im Gesundheitsamt oder dass wir jetzt drei Stellen zusätzlich geschaffen haben, um den Dolmetscherpool zu betreuen, ohne Frage, das sind richtige Maßnahmen, aber es ist viel zu wenig, es ist zu halbherzig. Sie haben sicher den offenen Brief der GEW gelesen und auch die Forderung des Gesamtpersonalrats der Stadt Frankfurt, dass das, was Sie an Personalaufstockungen in diesem Nachtragshaushalt dargestellt haben, viel zu wenig ist, wie ich sagte, halbherzig, nicht genug, da muss nachgebessert werden.

(Beifall)

Lassen Sie mich noch auf ein paar einzelne Punkte eingehen. Klar, ich kann es nicht übergehen: Das PPP-Projekt Riedberg. Ursprünglich sah die Planung vor, dass die Stadt aus diesem Projekt mit einem Gewinn herauskommen sollte. Typisch PPP, vorher große Gewinnerwartungen, hinterher eine dicke Rechnung. 1996 waren 393 Millionen Euro Kosten veranschlagt, bis Ende 2015 waren es schon 580 Millionen Euro. Der Riedberg ist ein Wohngebiet, das sich fast nur Besserverdienende leisten können. Ich hätte Sie, meine Damen und Herren von CDU, GRÜNEN und FDP, einmal hören wollen, wenn die Kosten für ein Projekt des sozialen Wohnungsbaus so aus dem Ruder gelaufen wären.

Nun noch ein paar Punkte aus dem Teilergebnishaushalten. Die Stadt braucht immer mehr Geld für die Altstadtbebauung. Im Nachtragshaushalt wirkt sich das mit der Abschreibung der Kapitalanlage für die Dom Römer GmbH aus. Ob diese Wertberichtigung das Ende der Fahnenstange ist, bleibt fraglich. Ich sehe da eher schwarz.

(Zurufe)

Es wird mehr werden? Gut.

Ganz typisch – das passt auch zu Ihrem „Kurs halten“, Herr Becker – ist, dass Sie für die Bearbeitung und Nachverfolgung der Fehlbelegungsabgabe satte 19 neue Stellen eingerichtet haben. Bei der Fehlbelegungsabgabe geht es um Menschen, die 200, 250 oder 300 Euro mehr verdienen, als sie eigentlich dürften, um im sozialen Wohnungsbau zu leben. Unsere Forderungen aus den letzten Etatberatungen, drei kommunale Steuerprüfer einzustellen, um die Steuergerechtigkeit in dieser Stadt herzustellen, haben Sie abgelehnt. Ich glaube, man kann sich denken, warum. Die Klientel, die bei der Fehlbelegungsabgabe betroffen ist, ist natürlich eine ganz andere als die schwarz-grüne Klientel. So gesehen, Herr Becker, fürchte ich, dass das „Kurs halten“ so bleibt. Sie nehmen es von den Armen und geben es den Reichen.

(Zurufe)

Ja, ich finde es auch traurig.

Im Bereich Soziales haben Sie unserer Ansicht nach zu knapp kalkuliert. Im Zuschussbereich haben Sie für die Erhöhung der Löhne und Gehälter durch Tarifsteigerungen 2,5 Millionen Euro mehr berechnet. Nach dem jüngsten Tarifabschluss wird das wohl nicht ausreichen, um die Tariferhöhungen an das Personal weiterzugeben, wenn das wirklich gewollt ist. Was die VHS anbelangt, das wurde vorhin auch angesprochen, was da an Personal und Mitteln mehr aufgestockt werden soll, ist unserer Einschätzung nach auch viel zu wenig, angesichts der größeren Aufgaben, die auf sie zugekommen sind. Da haben Sie nur sehr halbherzig nachgebessert.

Was mir im Nachtragshaushalt besonders fehlt, was nur punktuell vorhanden ist, ich hätte erwartet, schon die Anlage einer Finanzierung für ein wirklich ausgereiftes und durchdachtes Integrationskonzept auf lange Sicht zu sehen. Das brauchen wir dringend. Davon ist leider noch nichts zu merken. Da hätte man sich auch schon mit der Weiterbeschäftigung der in der Flüchtlingsbetreuung kurzfristig angestellten Menschen kümmern können und für die vielleicht auch schon ein bisschen etwas entwickeln können. Das haben Sie nicht getan. Ich fordere Sie auf, das dann im regulären Haushalt Ende des Jahres zu machen.

(Beifall)

Gestatten Sie mir, Herr Becker, zum Schluss noch eine Bemerkung. Vorhin, als es um den Fehler im Bericht über die Abstimmung im Ausschuss ging, hat man wieder erkennen können, wie leicht Sie rechts und links gleichsetzen. Herr Becker, Sie kommen mir in dieser Frage, wie ein Mensch vor, der an einer Straße steht, unverwandt nach links schaut, obwohl von dort nichts kommt, aber dabei leider völlig übersieht, dass von rechts ein Laster mit voller Wucht auf ihn zufährt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

 

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