Umsetzung von Inklusion scheitert an der politischen Gestaltung

27. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. September 2018

Tagesordnungspunkt 5: Integrierter Schulentwicklungsplan der Stadt Frankfurt am Main

Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier:

Vielen Dank, Frau Stadträtin Weber! Als Mitanmelderin ist die LINKE. aufgetreten und deswegen hat als Nächste das Wort die Fraktionsvorsitzende der LINKE.-Fraktion, Frau Pauli. Danach gibt es viele Anmeldungen. Ich lese die ersten fünf vor. Der Nächste wäre Herr Brillante für die FRANKFURTER, dann Frau Leineweber für die BFF-Fraktion, dann Frau Hübner für die AfD-Fraktion und Frau Luxen für die SPD-Fraktion, sodass Sie sich jetzt schon darauf einstellen können. Bitte schön, Frau Pauli!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren!
Beginnen möchte ich dieses Mal mit etwas Positivem. Frau Weber, gut, dass der Schulentwicklungsplan jährlich fortgeschrieben wird. Da sind wir hier in diesem Haus von Ihren beiden Vorgängerinnen im Bildungsdezernat nicht gerade verwöhnt worden.
Im Zusammenhang mit künftigen Fortschreibungen und schon den Vorüberlegungen zum nächsten Schulentwicklungsplan möchte ich die Gelegenheit heute nutzen, noch einmal auf die Idee, die von Bürgerinnen und Bürgern aus Unterliederbach vorgetragen wurde, nämlich eines Bildungscampus in der Parkstadt Unterliederbach, zurückkommen. Ich weiß, das ist noch nicht aktuell. Wir haben es im Ausschuss kurz andiskutiert, ich möchte es aber einmal in den Raum stellen und Ihnen vorstellen, damit Sie darüber nachdenken können. Die Parkstadt liegt zwischen Unterliederbach, Zeilsheim und Sindlingen. Da ist noch viel Platz. Die KEG baut dort weiter Wohnungen und Einfamilienhäuser. Bürgerinnen und Bürger haben sich überlegt, dass dort Platz genug wäre, um einen Bildungscampus zu errichten. Eine IGS, aber mit Oberstufe womöglich, eine Kita, eine Grundschule und und und. Es hätte den Vorteil, dass die Stadtteile Sindlingen und Zeilsheim mit angebunden, die Gymnasien in Höchst und vor allem die IGS West entlastet wären. Sie war im letzten Jahr die Schule, die am meisten mit Erstwahl angewählt wurden. Eine IGS in Hoechst. Ich finde das bemerkenswert und es hat mich sehr gefreut. In Richtung CDU möchte ich sagen, dass Sie sehen, dass das Anwahlverhalten der Eltern immer mehr in Richtung IGS geht.
Ich komme zu meiner eigentlichen Rede. Wir stimmen dem Plan natürlich bei einigen Schwächen in wenigen Punkten im Großen und Ganzen zu. Leider mussten wir rund um die Fortschreibung dieses Planes wieder einmal bemerken, dass die Frankfurter CDU – immerhin Frau Schubring ist noch da, Frau Fischer, leider nicht, doch wunderbar, finde ich ganz prima – in der Bildungspolitik keine gute Rolle spielt. 25 Jahre haben Sie seelenruhig dabei zugesehen, wie grüne Bildungsdezernentinnen und Bildungsdezernenten sich weder richtig um den Zustand der Schulen gekümmert haben noch um eine gute Kommunikation zwischen Dezernat, Schulleiterinnen und Schulleitern, Schülerinnen und Schülern und Elternvertretungen. Jetzt nörgeln Sie immerzu an einer SPD-Dezernentin herum, die den Schutt wegräumen muss, den Sie und die GRÃœNEN angerichtet haben, und Sie bremsen vieles aus.

(Beifall)

Zum Beispiel bei der Inklusion. Da musste ich lesen, Förderschulen bleiben für die CDU-Fraktion ein wichtiger Baustein im Bildungssystem. Sie können sich vorstellen, dass mich das nicht gefreut hat. Gefreut hat mich allerdings, dass Sie sich glücklicherweise damit nicht durchsetzen konnten und als Koalitionskompromiss jetzt über den eventuellen Ausbau zweier Förderschulen, Panoramaschule und Mosaikschule, sprechen, ich möchte sagen, die machen hervorragende Arbeit, das sehe ich wie fast alle anderen in diesem Haus, dass diese ausgebaut werden sollen. Sie sprechen über die Einrichtung sogenannter Kooperationsklassen an Grundschulen. Das sind dann Klassen, in denen Kinder, ich glaube maximal zehn, mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung in einer separaten Klasse in einer Grundschule von einer Förderschullehrkraft betreut werden. Ein Förderausschuss zusammengesetzt aus Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und dem Staatlichen Schulamt entscheidet, ob diese Kinder auch Regelklassen besuchen können.
Mit Verlaub, für mich ist das faktisch nichts anderes, als eine Förderschule in der Grundschule. Ich bin der Ansicht, richtige Inklusion geht anders. Das ist kein guter Weg.

(Beifall)

Das haben auch einige skandinavische Staaten schon festgestellt, die in den Neunzigerjahren solche Klassen eingerichtet und mittlerweile fast alle wieder abgeschafft haben, weil es eben dem Gedanken der Inklusion nicht gerecht wird und es anders einfach besser geht. Meine Damen und Herren von der CDU, vor allem Sie begründen immer alles mit dem angeblichen Elternwillen und einer wirklichen Wahlfreiheit. Für mich ist immer wieder in Eigengesprächen deutlich geworden, Elternwille bedeutet bestmögliche Förderung und Betreuung für die Kinder. Ich schaue mir an, was haben die Eltern im Moment in Frankfurt für eine Auswahl, für eine wirkliche oder scheinbare Wahl. Sie haben die Wahl für eine inklusive Beschulung an einer Regelschule, die unter unzureichender Ausstattung an einfach fast allem leiden, ganz besonders an Förderlehrerinnen und Förderlehrern und Räumlichkeiten. Ich möchte nur ein Beispiel nennen, die Kinder haben oft keine feste Bezugsperson, da die Förderlehrerinnen und Förderlehrer nicht an den Schulen angesiedelt sind, sondern von einem Zentrum kommen und in verschiedene Schulen ausschwärmen. Besser als ich kann es der Landesschülerinnen- und -schülerrat, die Landesschülerinnen- und -schülervertretung ausdrücken. Sie haben 50.000 Schülerinnen und Schüler befragt und kommen nach Auswertung dieser Befragung zu dem Ergebnis, ich zitiere: „Und auch das Versagen bei der Inklusion geht an der Schülerschaft nicht spurlos vorbei. Inklusion ist ein Menschenrecht und in Hessen wird gerade im Bereich Bildung zu wenig dafür getan. Inklusion scheitert an zu großen Klassen, fehlendem Personal und einer unzulänglichen Gebäudegestaltung.“

(Beifall)

Weiter verweisen sie, und das finde ich besonders erfreulich, auf das Potenzial, dass in Inklusion steckt und die Umsetzung von Inklusion nur an der politischen Gestaltung scheitert. So ist das. So ist das leider auch hier in Frankfurt.
Es zeigt nachdem, was ich von Ihnen gehört und gelesen habe, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie Inklusion entweder nicht wirklich verstanden haben oder sie nicht wirklich wollen. Das trifft leider auch noch auf ein anderes Handlungsfeld zu, nämlich der Digitalisierung der Schulen. Auch hier betätigt sich die CDU als Bremserin und ist wahrscheinlich der Meinung, dass der gute alte Rechenschieber auch ausreichend wäre und nicht so neumodischer Kram wie Tablets, Smartphones und Co. Ihre Kanzlerin hat das neulich einmal bezeichnet als „Neuland halt“. Das passt.

(Zurufe)

Der CDU in Frankfurt sind 100.000 Schülerinnen und Schüler nicht einmal vier Euro pro Kopf wert, um wenigstens die Personalstrukturen für die Wartung der Geräte und der Netze zu schaffen. Auch das fasst wieder ein Schüler besser zusammen als ich es kann, nämlich der Frankfurter Schulsprecher Kevin Saukel. Er sagt: „Wir fordern deshalb den Magistrat der Stadt Frankfurt am Main dazu auf, keine weitere Verzögerung für das Projekt zuzulassen und entsprechend der Magistratsvorlage dem Konzept des Bildungsdezernates zuzustimmen. Wir dürfen uns keine weitere Verzögerung bei der Digitalisierung der Schulen erlauben, denn ansonsten werden die Schulen den Anforderungen der Zukunft niemals gerecht werden.“

(Beifall)

Er hat recht. DIE LINKE und andere schließen sich dieser Forderung an. Frau Weber, Sie haben es gesagt, Ende des Jahres werden wir über einen weiteren Schulentwicklungsplan sprechen, nämlich den für berufliche Schulen. Die hinken technologisch und ausstattungsmäßig sowieso hinterher und können den optimal ausgestatteten privaten Konkurrenzen mit unendlich viel Mühe kaum noch standhalten. Dabei brauchen die Berufsschulen die Digitalisierung ganz besonders dringend, um ihrem Bildungsauftrag im 21. Jahrhundert überhaupt noch nachzukommen. Deshalb frage ich, wollen Sie als CDU auch das wieder ausbremsen, und ich frage SPD und GRÜNE, wollen Sie bildungspolitisch Frankfurt nicht wirklich mehr gestalten oder wollen Sie weiterhin der CDU beim Alleinregieren in dieser Sache hilfreich zur Seite stehen. Ich denke, das sollten Sie nicht tun. Sie sollten mehr Rückgrat zeigen, auch in der Koalition.

(Beifall)

Meine Damen und Herren von der CDU, seit 30 Jahren sind Sie in Frankfurt in der Regierung und seit viel zu vielen Jahren auch in Hessen. Dementsprechend rückwärtsgewandt ist die Bildungspolitik auf beiden Ebenen. In der Presse ist der Bau- und IT-Dezernent Schneider auf die Frage nach dem überraschenden Ergebnis bei der Fraktionsvorsitzendenwahl der Union im Bundestag in der Presse inhaltlich damit wiedergegeben worden, dass die CDU-Bundestagsfraktion nach 13 Jahren unter Kauders Führung eventuell gewisse Ermüdungserscheinungen aufgewiesen habe und nun mit neuem Personal auch neue Akzente, Lösungen und Wege erhofft würden. Da haben Sie ausnahmsweise einmal völlig recht, und da sind es nur 13 Jahre. Wir in Frankfurt haben 30, in Hessen 20, alles viel zu viel. Auch hier könnte es für die Politik auf Land- und Stadtebene sehr befreiend sein, wenn die CDU endlich Gelegenheit bekäme, in der Opposition einmal über die Moderne nachzudenken.

(Beifall)

In der Zwischenzeit könnten bessere Mehrheiten Stadt und Land auch besser regieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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