Sie hecheln dem Fetisch der schwarzen Null wieder hinterher

23. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 26. April 2018

Tagesordnungspunkt 7: Haushalt 2018 – Aussprache und Verabschiedung

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin

Erika Pfreundschuh:

Vielen Dank, Herr Dr. Rahn! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Pauli von der LINKEN., ihr folgt Frau Rinn von der FDP. Frau Pauli, Sie haben das Wort, bitte schön!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Bevor ich zum Haushalt komme, gestatten Sie mir bitte ein paar allgemeinere Ausführungen, die sich zum Teil auf das beziehen, was wir eben hier gehört haben, auf die Diskussion heute im Haupt- und Finanzausschuss zum Thema, was verfassungskonform ist und was nicht, und auf die Diskussionen, die wir in einigen Ausschüssen hatten.

Ich habe mich in der letzten Zeit ein bisschen mit den 68ern beschäftigt, das machen ja viele im Moment, und habe dabei eine interessante Sache über Fanatismus, Demagogen und Vorurteile bei Max Horkheimer wiedergefunden, die möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ich möchte Ihnen ein Zitat von Max Horkheimer vorlesen: „Je mehr die Bekenner die Falschheit ihres Glaubens ahnen, desto begeisterter halten sie an ihm fest. Das starre Vorurteil schlägt in Fanatismus um. Zum Geschäft des Demagogen gehört es, edle Losungen zu finden, die zugleich der Feindschaft ein Objekt versprechen. Von den kleinen Gerüchtemachern, die im Namen des Anstands und der Solidarität das Komplott gegen Schwarze und Fremde anzetteln, bis hinauf zu den planvoll ungebärdigen Führern, die das Volk durch Hass zur explosiven Gemeinschaft zusammenschweißen, zieht sich die Reihe der Agenten des Unheils, die den Anfälligen den erwünschten Vorwand liefern“. Aus dieser braunen Melange, die er da beschreibt, entstehen Anfragen im Deutschen Bundestag, die 18 Sozialverbände dazu gebracht haben, sich aus Protest dagegen zu einer Zeitungsanzeige zusammenzuschließen. Viele von Ihnen werden die Anzeige gesehen haben. Sie wissen, es geht um die Anfrage zu Behinderten.

Aus dieser braunen Melange heraus entstehen auch im Römer Anträge, die allen Projekten, die sich mit Frauen, LGBTQ, Migrantinnen und Migranten und allem Weiteren beschäftigten, was nicht in das selbst gebastelte Volksempfinden passt, die Unterstützung streichen wollen. Allerdings, das Volk, und ich benutze das Wort jetzt hier einmal ganz bewusst, das Volk hat sich dagegen gewehrt, es ist in die Ausschüsse gekommen. Allein in den Ausschuss für Wirtschaft und Frauen waren über 100 Menschen gekommen, um ihre Solidarität für diese Projekte zu zeigen und um der Antragstellerin ihren Abscheu zu demonstrieren, und dem möchte ich mich hier an dieser Stelle anschließen.

(Beifall)

Nun also zum Haushalt. Was ich weniger schön an dieser Diskussion fand ist, dass wir die Anträge zum Sparen der Koalition gerade einmal am Montag dieser Woche bekommen haben. Ich empfinde das als Respektlosigkeit diesem Parlament gegenüber und hoffe, dass das nicht noch einmal vorkommt. Leider ist der Inhalt entsprechend. Da haben wir zuerst einmal die Zweitwohnungssteuer, die finden wir gut und der werden wir auch zustimmen. Dann den festen Vorsatz, einmal zu schauen, ob diverse Neuanschaffungen wirklich notwendig sind oder ob die Sachen noch ein bisschen halten. Wirklich jetzt? Soll das heißen, dass Sie all die Jahrzehnte immer neu beschafft haben, ohne zu prüfen, ob die Weiternutzung und Instandsetzung „die denkbare und kostengünstigere Variante ist“? Kein Kommentar dazu.

Wie weit wollen Sie insgesamt dabei gehen? Wollen Sie jetzt auch alles andere genauso wie in den letzten Jahrzehnten, Schulen, Straßen und Brücken, auf Verschleiß fahren? Da bin ich gespannt. Dann kam der dritte Antrag und da sehen wir dann, wie Sie wieder Ihrem Fetisch der schwarzen Null hinterherhecheln. Ein paar Bemerkungen vorausgeschickt. Mike Josef hat am 11. April in der Frankfurter Rundschau gesagt: „Wenn wir Einsparungen in Höhe von 300 Millionen Euro umsetzen würden, können wir den Laden dichtmachen“. Da hat er recht. Manuel Stock hat am 12. April auch in der Frankfurter Rundschau gesagt: „Wir müssen auch über die Einnahmeseite der Stadt, etwa höhere Steuern, reden, wir können Frankfurt nicht kaputt sparen“. Das stimmt, Herr Stock, da haben Sie recht.

Wenn ich auch dazu anmerken möchte, lieber Manuel Stock, dass ihr genau das in den letzten 25 Jahren fleißig getan habt, zusammen mit der CDU, weite Teile dieser Stadt, zum Beispiel die Schulen, die Straßen und die Brücken, kaputt gespart habt. Dass Ihr das städtische Tafelsilber, nämlich Grund und Boden, für kurzfristige Entlastungen verscherbelt habt. Aber besser spät zur rechten Einsicht kommen, Herr Stock, als nie. Dann hat der Dezernent Jan Schneider in der FAZ gesagt: „Das Ziel der CDU ist es bestimmt nicht, in großem Maße die Einnahmen hochzufahren“. Und aus der CDU hören wir immer wieder, dass die Stadt kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem hat. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln, nein, Herr Schneider, nein, liebe CDU, Sie haben nicht recht.

Die Stadt wächst rasant. Ende des Jahres werden circa 750.000 Menschen hier leben und genauso steigen auch die Ausgaben. Dazu kommen hohe Pflichtleistungen, Kosten für den Abbau des Investitionsstaus, den Sie verursacht haben und der alleine im Bildungsbereich circa eine Milliarde Euro ausmacht. In diesem Zusammenhang möchte ich also über Investitionen reden. Die sind vielfältig nötig, vor allem aber auch, um der Spaltung der Stadt entgegenzuwirken. Frankfurt ist eine Stadt mit zunehmender Spaltung. Eine eigentlich reiche Stadt, in der 20 Prozent der Kinder als arm gelten.

Ich habe hier schon oft darüber gesprochen, habe Ihnen schon oft Zahlen dazu vorgetragen, deshalb möchte ich heute einmal auf Ulas Gergin eingehen, einem Psychologen und Soziologen, der in Fechenheim, Preungesheim und Hausen, also in nicht privilegierten Stadtteilen, mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Auf ihn würde ich gerne verweisen. Er beschreibt gut und eindringlich, was Armut vor allem für Kinder bedeutet. Beengte Wohnverhältnisse, deshalb oft Müdigkeit und Unkonzentriertheit in der Schule, deshalb oft schlechtere Leistungen und weniger Perspektiven. Kein Frühstück und kein Pausenbrot mit den gleichen Konsequenzen. Scham wegen Armut. Keine wirkliche Teilhabe wegen fehlendem Geld für Vereine, bei denen Sie jetzt übrigens auch kürzen wollen, auch wenn Sie es dann als Nichterhöhung kaschieren. Diesen Kindern und Jugendlichen bleiben nur die offene Kinder- und Jugendarbeit und die Schule. Auch da hapert es leider gewaltig, vor allem an Ausstattung und Personal in den nicht privilegierten Stadtteilen, da wären Investitionen dringend gefragt.

Gergin wird in der Presse wie folgt zitiert: „Wenn ich die Jugendlichen frage, was sie einmal werden wollen, dann sagen viele, ich werde eh hartzen“, und weiter „Ich sehe eine große Gefahr, dass sich diese Kinder und Jugendlichen von der Demokratie abwenden, weil sie sagen, das hat mit uns nichts zu tun“. Und wenn Sie dann, meine Damen und Herren, sich einmal die Wahlergebnisse anschauen und sehen, dass in ärmeren Stadtteilen deutlich weniger gewählt wird, die Wahlbeteiligung deutlich geringer ist als beispielsweise im Westend, dann können Sie vielleicht verstehen, was für langfristige Konsequenzen mangelnde Investitionen haben können.

Ich habe Ihnen das mit der Armut jetzt hier einmal ein bisschen deutlicher ausgeführt, weil es mir oft scheint, Sie haben im realen Leben wenig Kontakt dazu und deshalb im politischen Leben wenig Verständnis dafür. Ihre Politik jedenfalls lässt darauf schließen.

Weiter möchte ich aus einem Gästebeitrag des IG-Metall Vorstandsmitglieds Wolfgang Lemb, auch in der Frankfurter Rundschau vom 18. April, zitieren: „Verfechter der schwarzen Null vergessen dabei: Einsparungen durch nicht getätigte Investitionen tauchen zwangsläufig an anderer Stelle als Kosten wieder auf“. Genau das erleben wir gerade und es wird wieder so kommen, wenn Sie nicht endlich die Personalsituation der Stadt den wirklichen Erfordernissen anpassen und neue Stellen schaffen beziehungsweise die freien Stellen wirklich besetzen. Die Stadt hat jetzt schon deutlich zu wenig Personal, um alle bewilligten Gelder auszugeben. Ich erläutere es Ihnen wieder anhand der Bildungspolitik, obwohl Sie die Dinge wahrscheinlich kennen.

Die aktuelle Lage in Frankfurt: Immer noch zu wenig Betreuungsplätze, immer noch marode Schulen, immer noch schmutzige und heruntergekommene Toiletten, zu wenig Plätze und Platz für die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern und sowieso zu wenig Personalausstattung, was sich besonders im Bereich Inklusion an der Regelschule negativ auswirkt. 2014 gab es im Rahmen des Aktionsplans Schule 150 Millionen Euro zusätzlich zu den normalen Haushaltsansätzen on Top. Wie viel davon haben Sie ausgegeben, wie viel haben Sie geschafft, vom Konto herunter zu räumen? Das waren im Jahr 2013 56 Prozent der bewilligten Mittel, 2014 40 Prozent, 2015 circa 50 Prozent und 2016 auch nur 50 Prozent. Darin sind die Budgetüberträge noch nicht enthalten.

Das ist wenig. Und warum? Weil allen Orten das Personal fehlt, um dieses Geld auszugeben. Der Gesamtpersonalrat hat das deutlich formuliert und Sie übergehen das einfach. Dabei wäre jetzt der richtige Weg für die Aufstockung bei der Planung, bei der Sanierung, beim Bau und beim Controlling. Wir werden sehen, wie sich das jetzt mit der Stellenbesetzung, von der Sie ja heute alle schon gesprochen haben, entwickelt.

Sie, meine Damen und Herren, von der Koalition und vor allem Sie von der CDU sind wie jemand, der viele Nägel gekauft hat, um Dinge zu reparieren, und sich dann aber weigert, das noch nötige Geld für den Hammer auszugeben. Die öffentliche Hand auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene muss erheblich mehr investieren als bisher, wenn unsere Gesellschaft zukunftsfähig werden soll. Das vor allem in den Bereichen Bildung, Wohnen und Digitalisierung. Dazu schreibt Wolfgang Lemb: „Gerade in Zeiten der extremen Niedrigzinsen dürfte selbst der schwäbischen Hausfrau einleuchten, dass Schulden, die uns heute nichts kosten, aber morgen schon Rendite einfahren, cleverer sind als Sparmaßnahmen, die heute keine Rendite bringen, uns aber morgen schon gehörig etwas kosten werden“. Da hat er recht.

Ich höre jetzt schon Mike Josef sagen, DIE LINKE will immer nur mehr Geld ausgeben als die SPD. Und Sie von CDU und GRÜNEN werden sagen, wir wollen das Geld zum Fenster rauswerfen und würden nie dazu Stellung nehmen, wie wir alles bezahlen wollen. Beides ist natürlich Unsinn, denn die Frage von Investitionen ist keine rein fiskalische, sondern eine politische Entscheidung darüber, welche Gesellschaft wir wollen und wie sich das dann auch in der Kommunalpolitik niederschlägt. Deshalb sagen wir LINKE, es ist kontraproduktiv, jetzt nicht alle Weichen so zu stellen, dass die notwendigen großen Investitionen in Bildung und Wohnen auch wirklich realisiert werden können.

Die Bertelsmann Stiftung, die ich immer gerne zitiere, weil ihr niemand nachsagen kann, sie stünde uns nahe, hat vor wenigen Wochen eine Studie publiziert, die sich mit Investitionen der öffentlichen Hand beschäftigt. Dort können Sie nachlesen, dass bei einer dauerhaften Erhöhung – natürlich jetzt bundesweit – der öffentlichen Investitionen um 20 Milliarden Euro bereits nach fünf Jahren die jährlichen Wohlstandsgewinne die Investitionskosten bei Weitem übersteigen.

Nun zum Einnahmeproblem, das Frankfurt durchaus hat. Viele Firmen und Konzerne verdienen gutes Geld in dieser Stadt und sind durch die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte extrem begünstigt worden. Das war eine gigantische Umverteilung von Arm zu Reich. Deshalb ist es jetzt allerhöchste Zeit, diese Unternehmen in Frankfurt zu einem angemesseneren Beitrag an den Kosten der Infrastruktur zu bringen. Sie werden wissen, worauf ich hinaus will, auf die Erhöhung der Gewerbesteuer auf den Wallmannsatz, das bringt Ihnen 100 Millionen Euro jährlich ein und dann hätten Sie auch mit der Haushaltskonsolidierung keine Probleme mehr, und natürlich auch auf die Einstellung von kommunalen Steuerprüfern. Nach dem Motto, jeder Tropfen höhlt auch manchmal den Stein, komme ich Ihnen damit jedes Jahr wieder und erzähle Ihnen, dass die Stadt Köln vor wenigen Jahren drei solcher Stellen finanziert hat und mittlerweile ein Mehrfaches dessen eingenommen hat, was die Steuerprüfer kosten und mehr Steuergerechtigkeit ist damit auch erreicht worden.

Summa summarum kann ich nur sagen, Ihr Haushalt, meine Damen und Herren von der Dreierkoalition, wird von der CDU dominiert: Sparen beim Personal, Zuschüsse einfrieren, sich Geld von denen holen, die nicht viel haben. Aber dann bei der Gewerbesteuer, einer reinen Gewinnsteuer, die nennenswert nur bestverdienende Unternehmen zahlen müssen, mauern. Da frage ich mich, Frau Busch, wo bleibt die sozialdemokratische Handschrift, die Sie schon so oft hier im Haus angekündigt haben. Ist sie zu sehen, wenn Sie Zuschüsse für soziale Einrichtungen – die Sie zuerst erhöhen wollten – pauschal um zwei Prozent kürzen, da bin ich mir nicht so sicher? Ich glaube eher, es ist so, wie wir Ihnen von Anfang an gesagt haben, Sie sind in dieser Koalition wie eingemauert. Ihr Oberbürgermeister bricht zwar gelegentlich da aus, einmal mit mehr, einmal mit weniger Fortüne, obwohl da oft die Gefahr besteht, mehr als politischer Parvenü und weniger als beherzter Vorkämpfer wahrgenommen zu werden.

(Beifall)

Heute gab es ein Beispiel dafür bei den Nachfragen in der Fragestunde, die nicht gut beantwortet wurden. Also, unter dem Strich setzt sich die CDU in der Politik in dieser Stadt durch. Eine Partei, die nach vielen Jahrzehnten ausgepowert ist und keine Ideen mehr hat. Das haben ihr die Frankfurter Wählerinnen und Wähler bei der Oberbürgermeisterwahl deutlich zu verstehen gegeben, Sie haben nicht einmal in Ihren ehemaligen Hochburgen punkten können.

Es wird Zeit, dass die CDU in Frankfurt nicht mehr in der Stadtregierung ist, es wird Zeit für einen Politikwechsel.

(Beifall)

Herr Josef, Ihr letzter Parteitag hier in dieser Stadt hatte das Motto „Der Aufbruch geht von Frankfurt aus“. Schön wäre es, aber alleine werden Sie das nicht schaffen. Aber vielleicht unter bestimmten Umständen, wenn wir Seite an Seite schreiten, dann kann es gelingen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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