Bei der FES geht es um richtig viel Geld und um ein absolut risikoloses Geschäft

34. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Juni 2019

Tagesordnungspunkt 5: Neuvergabe der strategischen Partnerschaft an der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH

Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier

Es gibt folgende Wortmeldungen: Zunächst einmal für die LINKE. Frau Pauli, danach Frau Busch als Fraktionsvorsitzende der SPD, dann Herr Lange für die CDU-Fraktion und dann Frau Hanisch für die GRÜNE-Fraktion. Frau Pauli, Sie haben das Wort, bitte schön!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Heilig, Sie haben es richtig gesagt, wir sollen heute hier entscheiden, wie die Strukturierung der FES für die nächsten 20 Jahre aussehen soll. Ziel ist, dass die Aufgaben nicht europaweit ausgeschrieben werden müssen, um das Risiko nicht einzugehen, dass eventuell ein Konkurrent gewinnt. Da haben Sie sich dazu entschieden, dass es unbedingt wieder eine ÖPP werden soll, also eine öffentlich-private Partnerschaft. Deshalb möchte ich ein paar Worte vorausschicken – Sie werden es sich denken können -, zu Ihrem bisherigen Traumpartner, nämlich der Firma Remondis, die in den Neunzigerjahren mit 73 Millionen DM in die Partnerschaft mit der Stadt eingestiegen ist und seitdem oft genug zehn Prozent Jahresrendite eingefahren hat. Die Firma Remondis, die mit ihrer Expansionspolitik laut Kartellamt auch dafür gesorgt hat, dass sich die Anzahl der Entsorgungsunternehmen in Deutschland und Europa um 40 Prozent reduziert hat, und die Firma Remondis, die sich mit der Schwarz-Gruppe und noch drei, vier anderen Akteuren den Markt in Deutschland und Europa mittlerweile aufteilt. Man nennt so etwas nicht Wettbewerb, meine Damen und Herren, gerade von der CDU, sondern man nennt das Oligopol, nämlich die Form des Monopols, bei der der Markt von einigen wenigen Großunternehmen beherrscht wird. Was das dann für den Wettbewerb bedeuten kann, das kann sich wohl jeder selbst denken.

Bei der FES geht es – Sie haben es gesagt, Frau Heilig – um richtig viel Geld und um ein absolut risikoloses Geschäft. Da kann ich Ihnen bei Ihren halbseidenen Plänen, auf die ich gleich noch näher eingehen werde, versprechen, dass es zu juristischem Ärger und zu Klagen kommen wird. Ich kann mir bei dieser Menge Geld, um die es da geht, nicht vorstellen, dass sich die Firma Remondis und andere Firmen in Europa das so einfach nehmen lassen.

Sie wollen nun also, das ist Ihre Lösung, die Anteile von Remondis europaweit ausschreiben. Das haben Sie in einem Eckpunktepapier beschrieben, an die Europäische Kommission geschickt, und die sollte vorab prüfen, ob das so geht. Das hat sie auch getan, und nach der Lektüre der Antwort kann ich nur sagen, Ihre Auslegung ist eine reine Schönwetterinterpretation. Sie schreiben in der M 76, die EU-Kommission hat den Verfahrensvorschlag der Stadt Frankfurt am Main für vergaberechtlich zulässig erklärt. Aber in dem Papier der Kommission steht noch wesentlich mehr, und das ist für die Entscheidungsfindung eigentlich wichtiger.

Ich gehe auf drei Kernpunkte ein. Erstens, wichtigster Punkt, die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Beteiligung des derzeitigen privaten Gesellschafters, denn Remondis muss ja bei allem mitspielen: Dem Kaufinteressenten müssen wichtige grundsätzliche Informationen über das Kaufobjekt zugänglich gemacht werden, also über die wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse der FES. Dazu stellt die Kommission fest, dass die Stadt nicht im Detail erklärt, welche Informationen den Wettbewerbern aufgrund von Geheimhaltungsinteressen des bisherigen Vertragspartners vorenthalten werden sollten. Die Kommission sagt dazu, eine Unbedenklichkeit bezüglich dieses Punktes kann somit nur für die Vorgehensweise an sich gelten, nicht aber für die genaue Ausgestaltung. Punkt zwei, hier geht es um die Eignungskriterien der Interessenten: Da kritisiert die Kommission, dass die Stadt auch diese nicht eindeutig formuliert hat, und schreibt wieder, das Eckpunktepapier ist in diesem Punkt nicht ausführlich genug, um eine Unbedenklichkeit festzustellen, und der dritte Kernpunkt, nämlich die Zuschlagskriterien: Die von der Stadt formulierten Zuschlagskriterien werden von der Kommission ebenfalls für zu unbestimmt erklärt und auch hier steht wieder geschrieben, das Eckpunktepapier ist in diesem Punkt nicht ausführlich genug, um eine Unbedenklichkeit festzustellen.

Frau Heilig, anscheinend haben wir da völlig unterschiedliche Papiere gelesen, denn mich versetzt das ziemlich in Alarmbereitschaft. Keine Unbedenklichkeitsfeststellung in drei zentralen Punkten, aber den Magistrat ficht das nicht an. Ganz nach dem Motto „wird schon gut gehen“ setzen sich GRÃœNE und CDU – vor allem Letztere – mit ihrer ideologischen Sturheit durch, die noch immer heißt: Privat vor Staat.
Von einem verantwortungsvollen Magistrat und einer ebensolchen Stadtverordnetenversammlung erwarte ich, vor allem bei so einem lang wirkenden Projekt, dass alle Möglichkeiten durchdacht werden. Umso konsternierter war ich, als der Magistrat auf meine Anfrage, wie viele Arbeitsplätze seiner Einschätzung nach verloren gingen, wenn die Stadt die FES zum Beispiel in eine Anstalt des öffentlichen Rechtes oder in eine gGmbH oder in eine gAG wie bei der Mainova und bei der ABG Holding umwandeln würde, in seiner vorläufigen Stellungnahme dazu schrieb „dass er das nicht durchgespielt hätte, auch nicht im Hinblick auf Arbeitsplätze.“ Worauf beruht dann also die Behauptung, dass nur die Weiterführung mit einem privaten Investor die Zukunft der FES und die Arbeitsplätze garantieren kann? Es ist nichts als eine Behauptung, die einer kritischen Prüfung nicht standhalten kann.

Ich verweise auf Professor Dr. Stephan Tomerius, Professor in Berlin, unter anderem für Öffentliches Recht, und seine Publikation „Drittgeschäfte kommunaler Entsorgungsunternehmen und Inhouse-Fähigkeit“, veröffentlicht in 2015. Da können Sie nachlesen und finden, dass Entgelte von Dritten der Tätigkeit für die Kommune hinzugerechnet werden können, wenn das Unternehmen diese Umsätze aufgrund der Vergabeentscheidung der kontrollierenden Körperschaft erzielt, und Tomerius beschäftigt sich auch mit der Systematik des öffentlichen Preisrechts und des Gebührenrechts bei Fremdumsätzen. Er führt aus, dass auch über Fremdgeschäfte die Selbstkostenpreise und Gebühren der Kommune möglichst gering zu halten sind. Deshalb wäre es bei gleicher auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gerichteter Zielrichtung des Vergaberechts widersinnig, diese Verträge mit Dritten vergaberechtlich als reine Fremdgeschäfte außerhalb des kommunalen Auftrages zu beurteilen.

Ich finde, meine Damen und Herren, das spricht nicht für das, was Frau Heilig eben gesagt hat, dass es nur eine einzige Lösung für dieses Problem gegeben hätte. Aber, meine Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich hier vorbringen will. Alles, was die Stadt plant, geht nur mit Zustimmung des bisherigen Mitgesellschafters, der Firma Remondis. Dazu gibt es eine Vereinbarung über das Ausschreibungsverfahren und einen Vertrag über die Anteilsübertragung. Diese Verträge liegen uns nicht vor, deshalb hat sie meine Fraktion angefordert. Der Magistrat hat darauf geantwortet, dass die Kenntnis dieser Verträge für die Beratung und Beschlussfassung nicht zwingend erforderlich sei.

So so, meine Damen und Herren von der CDU, von den GRÃœNEN und von der SPD, Sie entscheiden also nach Gutsherrenart, welche Informationen für uns Stadtverordnete erforderlich sind und welche nicht. Sie entscheiden, auf welcher Grundlage wir uns entscheiden sollen. Meine Damen und Herren, ich finde das empörend, aber mit eben dieser Einstellung ist ein anderer Magistrat, nämlich der in Wiesbaden, ziemlich übel vor die Wand gelaufen. Es ging dort um Grundstücksgeschäfte, bei denen der Magistrat Informationen einer Gesellschaft als Betriebsgeheimnis einsortiert und es abgelehnt hat, den Stadtverordneten Zugang dazu zu gewähren. Die betroffene Fraktion – es wird Sie nicht wundern, dass es meine war – hat geklagt und mit dem sogenannten Pfeiffenhaus-Urteil recht bekommen. In der Urteilsbegründung zitiert das Gericht einmal natürlich den Satz aus der HGO: „Der Gemeindevorstand ist verpflichtet, Anfragen der Gemeindevertreter und der Fraktionen zu beantworten“ und das Gericht erklärt auch, dass sich dieser Auskunftsanspruch auch auf Angelegenheiten einer Gesellschaft, die der Stadt gehört oder an der die Stadt beteiligt ist, erstreckt. Ebenfalls kassiert hat das Gericht die oft als Begründung zur Nichtinformation herangezogenen Geheimabsprachen zwischen Vertragsbeteiligten. Eine Vereinbarung zur Verschwiegenheit könne dem Auskunftsrecht nicht entgegenstehen. Im Ãœbrigen verwies das Gericht auf die Verpflichtung der Stadtverordneten zur Verschwiegenheit. Die Frankfurter Rundschau hat den ganzen Vorgang in ihrer Ausgabe vom 07.03.2014 mit dem Satz beschrieben: „Das Geschäftsgeheimnis hat als Fluchtpunkt für Mauscheleien im Rathaus ausgedient.“, aber leider hier in Frankfurt noch nicht, und deshalb wird meine Fraktion auch prüfen lassen, ob eine Klage sinnvoll ist.

Jetzt richte ich mich einmal ganz gezielt an die Damen und Herren von der SPD, mit denen wir diese Diskussion damals noch auf einer Seite stehend geführt haben, als es um den Konsortialvertrag zum Klinikum Höchst ging, der uns eben auch nur in Auszügen gezeigt werden sollte. Meine Damen und Herren, wollen wir das, was der Magistrat da ausbaldowert hat, so wirklich mitmachen? Wollt ihr wirklich mitmachen, wenn der Magistrat selbstherrlich entscheidet, welche Informationen für uns relevant sind und welche nicht? Wollt ihr wirklich mitmachen, wenn das einzige Ergebnis aus dem Kommissionspapier ist, nichts Genaues weiß man nicht und alles ist offen? Habt ihr aus den juristischen und sonstigen Debakeln, gerade der CDU-Dezernenten, nichts gelernt, und habt ihr schon wieder die Sache mit der Maut vergessen? Die schien auch europarechtlich in völlig trockenen Tüchern zu sein und heute stehen Herr Scheuer und andere, vor allem auch eure Bundespolitiker, ziemlich bescheuert rum, schauen dumm aus der Wäsche und sagen, das hätten sie schon irgendwie doof gefunden, nur halt nicht so genau hingeschaut und so weiter. Hilft aber alles nichts mehr, und glaubt ihr wirklich, dass der Schutz der Arbeitsplätze und die Qualität der Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger nur mit einem privaten Investor zu erreichen ist? Ich glaube das nicht. Ich bitte euch, denkt noch einmal nach, stimmt dem nicht zu, prüft noch einmal alles ergebnisoffen. DIE LINKE ist ziemlich sicher, dass eine kommunale FES die beste Form ist, in einer richtigen Rechtsform, und dass in Zukunft eben nicht mehr die Hälfte des Gewinnes an einen privaten Unternehmer überwiesen werden muss. Falls Sie nicht wissen, wohin mit den vielen Millionen Euro, die die Stadtkasse dann mehr hat, dann empfehle ich Ihnen, fragen Sie einmal die Trägerinnen und Träger der freien und offenen Jugendarbeit, die können Ihnen da weiterhelfen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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