Wir müssen den Anspruch haben, Tote und Kranke zu verhindern, die Schwächsten zu schützen, die Menschen in den Krankenhäusern zu unterstützen!

7. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 11. November 2021

TOP 8 Luftreiniger in den Schulen

Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Vorsteher,

werte Kolleginnen und Kollegen!

Im März hat die Notfallmedizinerin und Bloggerin Doc Caro ein Wort geprägt, das in den alltäglichen Wortschatz vieler Eltern Einzug gefunden hat: „mütend“. Wir sind müde und wütend. Dieses Rumgeeiere in Sachen Pandemiebekämpfung ist vielfach nur noch schwer zu ertragen. Es ist nun das vierte Mal, dass man zuschauen muss, wie die Welle über uns zusammenschlägt. Die Regierungsverantwortlichen reagieren, aber oft zu spät. Wir sind unvorbereitet. Ich musste ein bisschen lachen, als auf Bundesebene Herr Scholz heute sagte, wir fangen jetzt an, Deutschland winterfest zu machen. Zu spät! Im Klartext: Menschen mit Kindern rechnen derzeit jeden Tag damit, dass das Kind krank wird, in Quarantäne muss oder die Kita-Gruppe geschlossen wird. Das ist eine enorme Belastung, und es gibt keine Perspektive, weil sich die Kinder bei der derzeitigen Lage entweder infizieren werden oder man damit rechnen muss, dass sie wieder lange zu Hause bleiben müssen.

Schulen und Kitas müssen sichere Orte sein und sollten durch regelmäßige Tests, Lüfter, kleine Gruppen und notwendige Hygienemaßnahmen offen bleiben können. Das sollte unser aller Ziel sein, dafür kämpfen wir.

Natürlich ist der beste Schutz unserer Kinder zuallererst eine niedrige Inzidenz. Davon kann allerdings keine Rede mehr. Wir erleben täglich neue Superlative in der vierten Welle dieser Pandemie, auch bei den Kindern. Gestern lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Elbe-Elster, das ist in der Oberlausitz, in der Gruppe der Fünf- bis 14-jährigen Kinder bei knapp – halten Sie sich fest – 2.534. Ein trauriger Spitzenreiter! Hessen war in der Gruppe der über 500-er Inzidenz in dieser Altersgruppe auch schon vertreten, mit Offenbach mit knapp 650. Und auch wir hier in Frankfurt holen auf. Ãœber die Kitas wissen wir übrigens fast nichts, denn bei den Kleinsten wird kaum getestet.

Auch über Long-Covid bei Kindern wissen wir viel zu wenig. Ich habe Fälle von Erwachsenen erlebt. Vorgestern berichtete der Spiegel über die „Volkskrankheit“ Long-Covid, die uns gesellschaftlich bevorstünde. Es ist bitter, wenn eine Studierende nicht mehr studieren kann, weil sie sich kaum noch konzentrieren kann, wenn eine Zahnärztin täglich darum kämpft, ihre Existenz aufrechtzuerhalten nach einer Coronaerkrankung, weil sie sich nicht mehr konzentrieren kann, weil sie mit Folgeerscheinungen zu tun hat.

Wir hören täglich von Statistiken zur Hospitalisierung und zu Todeszahlen. Die meisten denken dabei vor allem an alte Menschen. Wissen Sie, dass alleine in den ersten 14 Monaten der Pandemie 1.832 Kinder in Deutschland mindestens einen Elternteil oder einen für sie sorgenden Großelternteil verloren haben? Wissen Sie, dass Kinder zwar meist leichte Verläufe haben, es sie aber gibt, die Fälle, wo Kinder auf Intensivstationen um ihr Leben kämpfen? Wir alle haben in den letzten Monaten viel über Hygiene gelernt. Wir wissen, dass lüftungstechnische Maßnahmen alleine nicht reichen, aber sie können einen Beitrag leisten. Mit Verlaub, über Luftreinigungsgeräte redet man in diesem Haus seit Sommer 2020. Zuletzt haben wir in der Julisitzung über das Thema gesprochen. Da erklärte uns Frau Stadträtin Weber: „Lassen Sie uns nicht in Panik verfallen, sondern lassen Sie uns das tun, was vernünftig ist und was notwendig ist.“ Und wo stehen wir jetzt? Wurde und wird derzeit getan, was vernünftig ist und was notwendig ist? Was sagt es Ihnen, wenn ein Stadtschülerinnen- oder Stadtschülersprecher, eine Stadtelternbeirätin oder ein Stadtelternbeirat, eine Schulleiterin oder ein Schulleiter schärfere Maßnahmen als die derzeit ergriffenen fordern? Was sagt es Ihnen, wenn Lehrkräfte Hygienekonzepte kaum umsetzen können, weil der bauliche Zustand der maroden Gebäude es nicht zulässt oder die Voraussetzungen für die Umsetzung der Konzepte fehlen? Und was sagt es Ihnen, wenn Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer mit Vorerkrankung nichts als blanke Angst haben vor den ersten Tagen nach der Präventionswoche oder eine nicht ausreichende Personaldecke das Umsetzen von Konzepten und Gruppentrennung einfach unmöglich macht?

Wir haben vielfach diese Voraussetzungen nicht, unsere Kinder zu schützen – weder bei den Lehrkräften noch beim Kitapersonal, wo die Situation noch viel verschärfter ist. Das Ziel muss jetzt sein, tatsächlich jetzt, einen effektiven, sehr schnellen Ressourceneinsatz zur Pandemiebekämpfung zu betreiben. All in. Wir brauchen vielleicht nicht mehr diese Luftfilter, weil sie im Dezember zu spät kommen werden, da müssen wir uns nichts vormachen. Aber wir brauchen alle anderen Möglichkeiten, die uns jetzt zur Verfügung stehen. Das Ziel muss angesichts dieser vierten Welle jetzt sein, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, nicht Parteipolitik zu betreiben, sondern Pandemiebekämpfung. Wir müssen den Anspruch haben, Tote und Kranke zu verhindern, die Schwächsten zu schützen, die Menschen in den Krankenhäusern zu unterstützen. Wer möchte, kann das morgen früh auch ganz praktisch tun. Ab 06:00 Uhr wird wieder am Uniklinikum gestreikt. Ich werde das solidarisch begleiten.

 

Lassen Sie mich ganz kurz persönlich werden. Ich habe mir vorgenommen, nicht bitter oder zynisch zu werden, allerdings stimmt mich die aktuelle Lage tatsächlich pessimistisch, weil wieder zu spät reagiert wird. Was ich mich derzeit frage, ist: Bekommen wir dieses Mal vorher Konzepte, wenn Schulen und Kitas wieder schließen? Und was glauben Sie: Schließen Kitas und Schulen diesmal wieder zuerst? Oder zuletzt?

 

Danke!

 

(Beifall)

 

 

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