Ohne die CDU an der Regierung wäre Frankfurt eine sozialere Stadt

38. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 12. Dezember 2019

Tagesordnungspunkt 7: Einbringung des Etats 2020/2021

Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier:

Als nächste Rednerin hat Frau Pauli für die LINKE.-Fraktion das Wort, ihr folgt Herr Bakakis für die GRÜNEN. Bitte, Frau Pauli!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist jetzt schon ziemlich spät, ich hoffe, Sie können mir noch ein paar Minuten zuhören. Sie wissen, ich rede immer nicht so sehr lange, und auch meine Etatrede dieses Jahr ist relativ kurz.

Wir haben den Entwurf für den Doppelhaushalt ja erst seit kurzer Zeit. Wir werden ihn in den nächsten Wochen gründlich lesen, deshalb möchte ich hier und heute noch nichts dazu sagen, aber ich würde gerne vor dem Hintergrund der Erfahrung der letzten Jahre und von dem, was wir uns vorhin vom Kämmerer anhören mussten oder durften, gerne über Möglichkeiten mit Ihnen sprechen. Möglichkeiten in einer so reichen Stadt wie Frankfurt, Möglichkeiten, die es gäbe, wenn endlich die CDU nach 30 Jahren nicht mehr in der Stadtregierung wäre und wenn endlich einmal eine positive Mehrheit die Stadtpolitik gestalten würde. Die könnte dann die tatsächlichen Möglichkeiten, die die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger haben, aufgreifen.

Da fällt mir als LINKE natürlich zuerst die Hartz‑IV-Problematik ein. Das Jobcenter hat nach dem neuesten Urteil mehr Gestaltungsfreiheit, besonders im Hinblick auf Sanktionen. Wenn also die CDU nicht mehr tonangebend wäre und die restliche Mehrheit progressiv, könnte sich die Stadt Frankfurt mit einer progressiven und sozialen Mehrheit zur sanktionsfreien Kommune erklären. Das würde ich sehr gut finden, und das würde vielen Hartz‑IV-Bezieherinnen und -Beziehern zeigen, dass auch sie dazugehören und dass Schluss ist mit der sinnlosen Drangsalierung, die erwiesenermaßen auch nichts bringt.

(Beifall)

Ohne die CDU in der Stadtregierung hätte sich Frankfurt nicht auf dem Papier zum sicheren Hafen erklärt, sondern auch Taten folgen lassen und aus Seenot gerettete Geflüchtete aufgenommen. Mit einer progressiven Stadtregierung wäre die strategische Ausrichtung der ABG Frankfurt Holding endlich so, dass sie wirklich hauptsächlich bezahlbaren Wohnraum nach Förderweg 1 und 2 bauen würde. Mit einer solchen Stadtregierung hätten wir auch mehr integrierte Gesamtschulen und deshalb bessere Bildungschancen für alle unsere Kinder.

(Zurufe)

Ohne die CDU in der Stadtregierung hätten wir in Frankfurt endlich eine reelle Chance auf eine vernünftige IT-Strategie, auf abgestimmte digitale Projekte und eine Gesamtsteuerung anstatt von all dem das Gegenteil, und dazu noch zwei parallele IT-Systeme. Zudem hätten wir auch etwas weniger, nämlich einen überflüssigen, weil erfolglosen Dezernenten, der nur gewählt wurde, um die CDU-Riege an hauptamtlichen Magistratsmitgliedern zu erweitern.

(Beifall)

Herr Schneider, der bereits vor einem Jahr zugesicherte und von vielen von uns ziemlich erhoffte zweite Internetauftritt der Stadt Frankfurt würde dann vielleicht auch laufen und wäre nicht eine unendliche Geschichte wie der Flughafenbau in Berlin.

Würde nicht länger die CDU den Ordnungsdezernenten stellen, könnten die unzumutbaren und menschenunwürdigen Zustände bei der Ausländerbehörde endlich beendet werden.

(Beifall)

Und der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zu einer Bannmeile rund um die Beratungsstelle bei pro familia wäre zeitnah umgesetzt worden und hätte viele Frauen davor bewahrt, von den Fundamentalisten dort agitiert zu werden.

(Beifall)

Mit einer progressiven Stadtregierung gäbe es eine gute Aussicht auf wirklich mehr öffentlichen Nahverkehr und eine wirkliche Zurückdrängung von Pkws. Eine Verkehrsabgabe für Unternehmen wäre nicht länger ein Tabu, sondern eine reelle Möglichkeit, die Arbeitgeber in dieser Pendlerhauptstadt endlich angemessen an den Kosten für die Verkehrsinfrastruktur zu beteiligen.

Mit einer progressiven Stadtregierung könnten die Fahrpreise gesenkt werden, um in Schritten den Nulltarif zu erreichen, und GRÜNE und SPD könnten sich nicht länger hinter der CDU verstecken, wenn es um so etwas wie Ausrufen des Klimanotstandes geht. Oder, Sie mögen es mir nachsehen, dass ich immer wieder davon anfange, wir hätten schon längst ein Boardinghaus eingerichtet, eine einfache Unterkunft für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter, die immer noch dringend gebraucht wird und die immer noch nicht in Aussicht steht. Oder auch die Reprivatisierung der FES, vor der sich der Magistrat gedrückt und der Opposition wichtige Informationen vorenthalten hat, weshalb es jetzt eine kommunale Aufsichtsbeschwerde gegen den Magistrat gibt. Und mit einer progressiven Stadtregierung könnten wir LINKE uns mit größerer Aussicht auf Erfolg dafür einsetzen, dass der NSU 2.0 nicht länger Menschen in Frankfurt bedroht und endlich eine unabhängige Ermittlungsstelle für von Polizeigewalt Betroffene eingerichtet wird.

(Beifall)

Und wenn dann noch der Kämmerer der Stadt Frankfurt sein Amt nicht nur wie ein kleinlicher Buchhalter führt, sondern die politischen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Stadt von einer progressiven Warte aus sieht, würde er in Zeiten so historisch niedriger Zinsen über andere Dinge nachdenken als über den Fetisch schwarze Null – diese schwarze Null wollen mittlerweile von den Gewerkschaften bis hin zu den Arbeitgebern alle loswerden, nur Herr Becker und die Frankfurter CDU nicht. Nachdenken könnte er zum Beispiel über ein Investitionsprogramm, das vor allem für Menschen mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt gute Arbeitsplätze schaffen sollte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Arbeitsplätze bei den Helferberufen von 2014 bis 2019 um 26,2 Prozent angewachsen ist. Das sind Arbeitsplätze auf Mindestlohniveau, und das erklärt auch einen Teil des Anstiegs des Sozialetats, auf dessen Höhe Sie sich immer feiern lassen, sie sei ein Indikator für eine angeblich so soziale Stadt. Das haben Sie vorhin auch wieder getan, Herr Becker.

Übrigens, was Helferberufe betrifft: Wenn Sie als Produktionshelfer in Frankfurt arbeiten und in diese Niedriglohngruppe kommen, dann haben Sie 1.350 Euro brutto im Monat. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen sich vorstellen können, wie schlecht das ist.

Im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit zum Beispiel hat sich in den letzten Jahren ein Defizit im Zuschussbereich von 15 bis 20 Prozent angestaut. Damit reichen die Zuschusserhöhungen von jeweils drei Pro-zent, die Sie jetzt in den Doppelhaushalt reingeschrieben haben, nicht einmal aus, um die Tarifsteigerungen der letzten Jahre zu refinanzieren. Und somit kommen die geringen Zuschusserhöhungen einer sozialen Kürzung gleich, die es den Trägern unmöglich macht, die zunehmenden Aufgaben einer wachsenden Stadt zu erfüllen. Der Kämmerer sagt hier: „Frankfurt ist eine der sozialsten Städte in Deutschland.“ Na ja.

Die Investitionsprogramme, die man auflegen könnte, könnten auch Arbeitsplätze für eine Zielgruppe wie Alleinerziehende anbieten, die immer noch mit am meisten von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht und ganz besonders auf kompatible Arbeitszeiten und verlässliche Kinderbetreuung angewiesen sind.

Meine Damen und Herren, das waren ein paar Beispiele. Frankfurt ist eine reiche Stadt und hat viele Möglichkeiten zur Gestaltung und für positive Entwicklungen. Aber die zerstrittene Dreierkoalition bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück und trägt ihre Zänkereien auf dem Rücken der Frankfurterinnen und Frankfurter aus, das haben wir heute wieder miterlebt. Sie haben jetzt unsere Vorstellungen für die Zukunft der Stadt gehört. Bei der nächsten Kommunalwahl wird dann hoffentlich aus unseren Wünschen Wirklichkeit. Dann wird aus der reichen Stadt Frankfurt eine sozialgerechte Stadt, eine Stadt für alle, und das wird sich dann auch in einem Haushalt abbilden.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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