Geltendmachung übergegangener Arbeitsentgeltansprüche bei sittenwidriger Lohnzahlung

Anfrage
der Stadtverordneten Dominike Pauli der Fraktion DIE LINKE. im Römer
gemäß § 50 (2) HGO

Im Jahr 2015 veröffentlichte der Bundesrechnungshof einen Bericht zur „Geltendmachung von auf die Jobcenter nach § 115 SGB X i.V.m. § 40 Absatz 1 Satz 1, § 33 Absatz 5 SGB II übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche bei sittenwidriger Lohnzahlung“. Gegenstand der gesetzlichen Regelung sind Arbeitnehmer*innen, die einen sittenwidrigen Lohn erhalten und gleichzeitig auf den Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II angewiesen sind. Ist in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis die Höhe der Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zur Arbeitsleistung (§ 138 Absatz 2 BGB), kann die Entgeltvereinbarung wegen Lohnwuchers sittenwidrig sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dies dann der Fall, wenn das Arbeitsentgelt nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.
Trifft dies zu, geht der Anspruch der Arbeitnehmer*innen gegen die Arbeitgeber*innen bis zur Höhe der vom Jobcenter erbrachten Leistungen auf dieses über, soweit die Arbeitgeber*innen den Anspruch der Arbeitnehmer*innen auf Arbeitsentgelt nicht erfüllen und das Jobcenter deshalb Leistungen erbracht hat.
Laut Bundesrechnungshof muss das Jobcenter als Inhaber des übergegangenen Anspruchs diesen im eigenen Namen gegen die Arbeitgeber*innen der Leistungsberechtigten geltend machen.

Der Bundesrechnungshof kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass die Jobcenter oftmals den an die Leistungsberechtigten tatsächlich gezahlten Stundenlohn nicht ermitteln. Bei Verdacht auf eine sittenwidrige Entlohnung wurde der ortsübliche Vergleichslohn für die Prüfung der Sittenwidrigkeit nicht ermittelt. Darüber hinaus besitzen die Jobcenter kein einheitliches Vorgehen, um Fälle mit sittenwidriger Lohnzahlung und übergegangenen Ansprüchen zu erkennen. Auffällig war hierbei, dass Leistungsberechtigte mit Minijobs besonders häufig eine sittenwidrige Entlohnung erhielten.

Mit der Einführung des Mindestlohns wurde zwar eine entsprechende Überprüfung der Zahlung erleichtert, dennoch besteht weiterhin die Möglichkeit, dass Arbeitgeber*innen die Regelung des Mindestlohns unterlaufen.

Vor diesem Hintergrund wird der Magistrat gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

 

1. Wie wird im Jobcenter Frankfurt sichergestellt, dass Ansprüche wegen zu geringer Löhne gegenüber Arbeitgeber*innen systematisch identifiziert werden und mit welchen Schritten wird gegen solche Arbeitgeber*innen vorgegangen?

2. Wie ermittelt das Jobcenter Frankfurt den für die Prüfung erforderlichen Vergleichslohn?

3. Besitz das Jobcenter Frankfurt flächendeckende Kenntnis über die in den einzelnen Branchen geltenden ortsüblichen Löhne?

4. Welche Prozesse wurden im Jobcenter Frankfurt wann und wie eingeführt, um die übergegangenen Ansprüche erfolgreich einzufordern.

5. In wie vielen Fällen hat das Jobcenter Frankfurt in den letzten fünf Jahren Ansprüche diesbezüglich geltend gemacht?

6. Hat es dazu Gerichtsverfahren gegen Arbeitgeber*innen gegeben? Wenn ja, wie viele und mit welchen Ergebnissen?

7. Wie wurden die Ansprüche außergerichtlich geltend gemacht und mit welchem Erfolg?

8. Wie hoch waren insgesamt die Ansprüche, die das Jobcenter in den letzten Jahren geltend gemacht hat?

9. Wie oft entstanden Ansprüche des Jobcenters aus folgenden Fällen?
– der gezahlte Lohn lag unter dem unter gesetzlichen Mindestlohn
– der gezahlte Lohn lag unter dem Tariflohn oder erheblich unter dem ortsüblichen Vergleichslohn
– es bestand keine Lohnfortzahlung bei Urlaub
– es bestand keine Lohnfortzahlung bei Krankheit
– sonstige sittenwidrige Lohnzahlungen

10. Wie beurteilt der Magistrat die Personalausstattung im Jobcenter Frankfurt, um solche Ansprüche geltend zu machen?

11. Leistungsberechtigte mit Minijobs erhielten laut Bundesrechnungshof besonders häufig eine sittenwidrige Entlohnung. Achtet das Jobcenter bei diesen Arbeitsverhältnissen besonders auf die Entlohnung der Arbeitnehmer*innen?

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