Stark steigenden Mieten treiben die Menschen in Armut

32. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 4. April 2019

Tagesordnungspunkt 9: Kommunale Wohnraumversorgung

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9., Wohnungsmarktbericht, auf.

(Zurufe)

Wir sind noch lange nicht am Ende, wir haben heute Abend noch mehrere Punkte.
Zu diesem Thema behandeln wird die Vorlage B 356 des Magistrats. Die LINKE.-Fraktion hat den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Gibt es Wortmeldungen? Bitte schön, Herr Yilmaz, Sie haben das Wort!

Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:

Vielen Dank! Zuerst möchte ich sagen: Herzlichen Dank für den Blumenstrauß und für die guten Wünsche.

(Beifall)

Die Wohnungssituation für die Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt ist unerträglich und spitzt sich von Tag zu Tag zu. Die Zahl der registrierten sozialwohnungssuchenden Haushalte steigt weiter und die Verdrängung und Gentrifizierung in den Siedlungen nimmt enorme Fahrt auf. Mehr als die Hälfte der Stadt leidet unter enormer Mietpreissteigerung und Verdrängung. Studien zeigen deutlich, dass die soziale Segregation und die Polarisierung der Gesellschaft einen bedrohenden Zustand erreicht haben. Gerade kürzlich hat eine Studie der Bertelsmann Stiftung deutlich aufgezeigt, dass die stark steigenden Mieten in Deutschland, insbesondere auch in Frankfurt, die Menschen in die Armut treiben. Mehrmals haben wir Anfragen und Anträge gestellt, um vor allem Familien mit Kindern aus ihrem Elend aus den heruntergekommenen Hotels und Pensionen herauszuholen. Der Magistrat ignoriert das Problem immer wieder.
Herr Josef sagt, dass wir im Jahr 2018 Rekordzahlen bei den Wohnungsbaugenehmigungen hatten. Heute Abend hat der Oberbürgermeister Feldmann das wiederholt. Kein Mensch sagt, dass in Frankfurt nicht gebaut wird. Im Gegenteil, es wird ohne Ende gebaut. Aber das ist nicht bezahlbar. Über 60 Prozent des Neuwohnungsbaus wird als Kapitalanlage genutzt. Die Frankfurterinnen und Frankfurter haben davon nichts. Bauen, bauen, bauen alleine hilft nicht weiter. Es ist wichtig, danach zu fragen, was und für wen gebaut wird.

(Beifall)

Die sogenannten Sickereffekte funktionieren nicht. Preiswerter Wohnraum entsteht kaum. Die meisten Neubauprojekte und auch Nachverdichtungen und Aufstockungen sorgen in den Stadtteilen für steigende Mietpreise. Daher müssen die Mietpreise im Bestand bremsen. Gegen Verdrängung müssen wir jetzt stadtweit eine notwendige Mietdeckelung einführen. Der grüne Landesminister, Herr Al-Wazir, sagt, dass es in sechs Stadtteilen in Frankfurt keine Mietpreisbremse braucht, weil hier die Mieten angeblich nicht genug gestiegen sind. Das ist doch verrückt und respektlos gegenüber den Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern, die eine bezahlbare Wohnung suchen.

(Beifall)

Herr Schneider hat endlich eingesehen, dass sich Normalverdiener in Frankfurt die Mieten nicht mehr leisten können. Leider gibt er ihnen zu verstehen, dass sie dann doch Eigentumswohnungen kaufen sollen. Man denke an das Zitat von Marie Antoinette vor der Französischen Revolution: „Wenn ihr heute kein Brot habt, dann backt doch Kuchen.“ Herr Schneider, Sie wollen die Realität leider nicht anerkennen. Sie verhalten sich wie ein Makler im Interesse der Immobilienbranche, mit dem Vorhaben einer neuen Eigentumsförderung bescheren Sie den Privatinvestoren eine gesicherte Kundschaft. Nur den meisten Frankfurterinnen und Frankfurtern ist damit nicht geholfen. Bis heute wurde kein Bauprojekt fertiggestellt, wo die angepeilten 30 oder 40 Prozent geförderter Wohnungsanteil erreicht wurden. Alles was passiert, ist, dass die Koalition diese Zahlen immer wieder wiederholt. Zugleich fallen fünf- bis sechsmal so viele Sozialwohnungen aus der Bindung. Auch ich würde es immer wiederholen: Die Bindungen im sozialen Wohnungsbau müssen endlich unbefristet gelten.

(Beifall)

Das ist auch rechtlich und per Gesetz möglich, wenn man die Grundstücke als Erbbaurecht überlässt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der einen Seite beklagt sich die Koalition immer wieder, dass sie keine Grundstück mehr hat, andererseits plündern, verkaufen und spekulieren Sie mit dem verbleibenden öffentlichen Grund und Boden ohne Ende. Sie haben seit 2016 keinerlei ernsthafte Maßnahmen gegen den Mietwahnsinn getroffen. Allem Anschein nach haben Sie es aufgegeben, soziale, bezahlbare Wohnungen zu schaffen, wollen aber dann Wohnungssuchende per Stabsstelle beraten. Sie haben das Mittel Milieuschutzsatzung, aber Sie setzen diese nicht konsequent um. Die Satzungen zum ersten und zweiten Förderweg haben Sie geändert, was dabei herausgekommen ist, ist ein einziges Fiasko. Mit dem neuen ersten Förderweg stellen Sie Geld für Investoren bereit, aber trotzdem bauen die Investoren keine Sozialwohnungen. Statt das Geld den Privatinvestoren zu überlassen, kann die Stadt doch auch einfach selbst bauen. Der neue zweite Förderweg ist quasi eine Mieterhöhung per Gesetz. Dadurch sind die Mietpreise von frei finanzierten Wohnungen sprunghaft angestiegen. Folglich sind auch die Gesamtmieten im Bestand gestiegen. Außerdem wurde damit eine Argumentation zum Bauen von bezahlbaren Wohnungen für unter 10,50 Euro pro Quadratmeter der Boden entzogen.

Meine Damen und Herren, es gibt natürlich Instrumente, die man als Kommune nutzen kann. Wir haben Planungs- und Gestaltungshoheit. Wir haben eigenen Grund und Boden inklusive der Stiftungsgrundstücke und wir haben eigene Wohnungsbaugesellschaften. In der aktuellen Notlage auf dem Wohnungsmarkt müssen wir die Wohnungsbaugesellschaften, die ABG Frankfurt Holding GmbH, die Nassauische Heimstätte und die GWH, in die Pflicht nehmen, die dringend benötigten geförderten Wohnungen zu bauen. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir zuvor veräußerte öffentliche Wohnungen, wie zum Beispiel Wohnungen der Deutschen Annington, jetzt Vonovia, wieder zurückholen können. Die Bürgerinitiativen haben 25.000 Unterschriften gesammelt. Der Mietentscheid ist eine Chance, demokratische Forderungen aus der Bürgerschaft umzusetzen. Deswegen fordern wir die Koalition erneut auf, Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen und die Forderungen des Mietentscheids umzusetzen.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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