Psychiatrie Klinikum Höchst: Die Rahmenbedingungen stimmen nicht

32. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 4. April 2019

Tagesordnungspunkt 7: Psychiatrie Klinikum Höchst: Zustände überprüfen und Missstände beseitigen

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Als nächster Redner hat Herr Kliehm für die LINKE.-Fraktion das Wort. Ihm folgt Frau David von der CDU-Fraktion. Bitte, Herr Kliehm!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich werde heute zu einem Thema reden, das eigentlich das Herzblut von Dominike Pauli wäre, die jetzt gerade im Krankenhaus ist. Sie bekommt endlich eine neue Hüfte. Dominike, wenn du uns zuhörst, gute Besserung und dass du bald wieder unter uns bist!

(Beifall)

Verschiedene Vorredner haben es bereits gesagt, den Report des Teams Wallraff haben alle zur Kenntnis genommen. Ich finde, was gar nicht geht, ist, nun das Personal dort zu bedrohen. An dem Abend, als die Sendung ausgestrahlt wurde, hat das Telefon nicht mehr stillgestanden und Leute wurden bedroht. Ich finde, das geht gar nicht. Deswegen ist es besonders wichtig, dass sich eigentlich alle Rednerinnen und Redner mit dem Personal, das dort unter schwersten Bedingungen arbeitet, solidarisch gezeigt haben.
Worauf man in diesem Beitrag nicht eingegangen ist, sind die Rahmenbedingungen. Insofern bezweifle ich auch, dass diese Praktikantin viele psychiatrische Stationen gesehen hat. Die Rahmenbedingungen, die wir dort vorfinden, sind Mehrbettzimmer, keine Therapieräume, in die man sich mit einzelnen Patienten zurückziehen könnte und immer wieder gravierende Personalengpässe aus verschiedenen Gründen, weswegen auch der große Garten nur eingeschränkt genutzt werden kann.

Es gibt viele Überlastungsanzeigen von der Station D42. Das haben mehrere Vorredner bereits gesagt. Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte wurde zwar erhöht, aber die Anzahl der Mitarbeiter im Bereich Ergotherapie, Physiotherapie und der Psychologen wurden im Laufe der Jahre reduziert. Die Station ist fast immer überbelegt. Normal ist so ein Schlüssel von 85 Prozent Belegung. Diese Station arbeitet fast immer am Anschlag und manchmal auch über 100 Prozent hinaus, was sich aber nicht im Personalschlüssel widerspiegelt. Die Reinigungsfrequenz reicht definitiv nicht aus. Die Möbel sind abgenutzt, aber wenn Wände, Fußböden oder Mobiliar gereinigt werden, sind sie schnell wieder verschmutzt.

Hinzu kommen noch Rahmenbedingungen juristischer Art und nicht zuletzt auch der ökonomische Zwang. Da können wir ansetzen. Es gibt den ökonomischen Zwang, der verlangt, dass die Psychiatrie kostendeckend arbeiten muss. Das sagt die Geschäftsführung, das sagt die Stadt Frankfurt und das sagt das Land Hessen, das seiner Verpflichtung, für bauliche Gegebenheiten geradezustehen, nicht nachkommt. Darauf pocht aber auch die Bundesregierung, die seit Jahren versucht, die Psychiatrie-Personalverordnung endlich abzuschaffen und durch ein kostengünstigeres Modell der Vergütung psychiatrischer Leistung zu ersetzen. Insofern, Herr Majer, teile ich Ihren Optimismus nicht. Diese Bundesregierung möchte den momentanen Standard verschlechtern. Alle laufen Sturm dagegen.

(Zurufe)

Forderungen, das ist sehr gut. Da müssen wir Druck ausüben. Ich bin mir sicher, dass wir uns einig sind. Kurz gesagt, die, die sich jetzt massiv aufregen, sind diejenigen, die eine große Mitverantwortung für den Zustand der psychiatrischen Versorgung dort tragen. Wir müssen uns aber auch an die eigene Nase fassen. Bei Depressionen sind Suizidversuche oder auch vollendete Suizide sehr häufig. Bei jungen Frauen, bei alten Männern, bei Homosexuellen. Suizidgedanken können sehr viele von uns irgendwann einmal betreffen, und wer möchte dann in einer solchen Klinik landen? Suizide sind dreimal häufiger in Deutschland als Verkehrstote. Die Selbstmordversuche sind zehn bis zwanzig Mal höher. Insofern müssten wir eigentlich alle ein Interesse haben, für uns selbst, für unsere Bekannten und Freunde, dass diese Zustände sich ändern. Von daher können wir – Verschiedene haben es schon gesagt – die Empörung nutzen, die das Team Wallraff erzeugt hat. Nutzen, um aufzuklären, was eine geschlossene Unterbringung bedeutet. Nutzen, um Vorschläge zu formulieren, wie die Situation verbessert werden kann. Jetzt und in Zukunft. Wir müssen dazu stehen, dass eine gute Versorgung auch Geld kosten wird.

Es gilt, bald den dritten Abschnitt des Neubaus zu planen. Dort wird auch eine psychiatrische Klinik entstehen. Jetzt ist die Zeit, zu formulieren, wie ein Neubau aussehen muss, der den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten, aber auch den Arbeitsbedingungen des Personals gerecht wird. Wir brauchen adäquate Patientenzimmer, Therapie- und Sozialräume, ein begrüntes Außengelände und ausreichend Personal in allen Berufsgruppen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Möge das Land seinen Investitionsverpflichtungen nachkommen, der Bund für eine gute Personalausstattung sorgen und die Stadt dafür sorgen, dass hier eine Psychiatrie entsteht, für die sich das Team Wallraff nicht mehr interessieren muss.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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