Die Paulskirche als Ort der deutschen Demokratie muss ein Diskussionsraum sein

27. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. September 2018

Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1476: Demokratie – ja oder nein?

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Müller von der LINKEN. Bitte!

Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:

Herr Vorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

In der Nacht vom 15. auf den 16. September beschäftigten sich Menschen in der Paulskirche mit der Frage, in welcher Gesellschaft wollen wir leben. Ich glaube, das ist eine Frage, die sich die Gründermütter und Gründerväter der Paulskirche auch gestellt haben. Ich finde, dass die Paulskirche genau der richtige Ort ist, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Es geht darum, dass wir doch eine Erosion des demokratischen Prozesses erleben. Es geht darum, dass wir eine Entkoppelung der großen Mega-Internetkonzerne von jeglicher demokratischer Kontrolle erleben. Und es geht darum, dass das demokratische Gemeinwohl gefährdet ist. Von daher habe ich es ausdrücklich begrüßt, dass sich Menschen in die Paulskirche bewegt haben, um diese Debatten zu führen.
Ich sage Ihnen noch eines: Ich glaube, dass sich die Menschen, die damals für die deutsche Republik aufgestanden sind, an diesen Debatten beteiligt hätten. Aber was hat die CDU gemacht? Sie hat diesen notwendigen Diskurs versucht zu kriminalisieren, indem sie das Ganze als Straftat bezeichnet hat. Herr Kämmerer Becker hat gar gesagt, die Symbolträchtigkeit der Paulskirche verbiete eine solche Nutzung. Nein. Das Gegenteil ist richtig. Die Paulskirche als Ort der deutschen Demokratie muss ein Diskussionsraum sein, um sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, gerade in dieser Zeit, in der wir doch alle wissen, wie fragil unser Zusammenleben ist. Gerade in einer Zeit, in der wir wissen, wie stark die Angriffe von rechts auf das demokratische Gemeinwohl sind, auf die verfassten Grundrechte. Von daher hätte ich mir gewünscht, statt einen Diskurs über vermeintliche Rechtsüberschreitung zu führen, sich viel stärker mit den Menschen dort zusammenzusetzen und die Diskussion zu führen.
Herr Becker, Sie hätten auch diskutieren können, dass Sie es nicht für eine geeignete Form halten, sich über die Gefahren der Demokratie und die Bredouille, in der wir uns vielleicht durch Angriffe von rechts befinden, zu unterhalten. Aber Sie haben sich gar nicht die Mühe gemacht zu verstehen, warum die Menschen hier demonstrieren. Das ist zu wenig. Das ist nicht mein Verständnis von demokratischer Kultur. Von daher hat Oberbürgermeister Feldmann alles richtig gemacht. Er hat nicht nur zur Deeskalation beigetragen, sondern er hat diesen notwendigen Diskurs geduldet, ermöglicht und letztlich damit die Frankfurter Paulskirche vielleicht auch ein bisschen mehr zum Strahlen gebracht als es manche Festveranstaltung schafft. Hier haben sich die Menschen diesen Ort angeeignet. Ich finde es vorbildlich, und wie hat die Frankfurter Rundschau geschrieben, es war eine friedliche Besetzung in Sorge um die Demokratie. Von daher könnten wir uns eigentlich herzlich bei den Aktivistinnen und Aktivisten und bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Frankfurt bedanken, die hier quasi für die Demokratie in der Frankfurter Paulskirche eingetreten sind. So muss man das sehen.

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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