Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu wissen, wie der Magistrat mit öffentlichem Eigentum umgeht

18. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 16. November 2017

Tagesordnungspunkt 9: Altes Polizeipräsidium selbst entwickeln

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin

Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9., Altes Polizeipräsidium, auf. Wir behandeln die Vorlage NR 415 der LINKE.-Fraktion mit dem Betreff „Altes Polizeipräsidium selbst entwickeln.“ DIE LINKE-Fraktion hat den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Ich mache darauf aufmerksam, dass der Ausschuss für Planung, Bau und Wohnungsbau empfiehlt, die Vorlage NR 415 um eine Runde zurückzustellen. Dennoch soll die Vorlage heute zur Aussprache kommen. Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Yilmaz von der LINKE-Fraktion. Bitte schön!

Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:

Frau Vorsteherin,

meine Damen und Herren!

Das alte Polizeipräsidium an der Friedrich-Ebert-Anlage steht seit 15 Jahren leer. Der aktuelle Bebauungsplan ist aus dem Jahr 2000 und sieht auf dem Gelände einen 145 Meter hohen Hotelturm vor. Die schwarz-grüne Landesregierung versucht seit Jahren, das Gelände zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen.

(Zurufe)

Zuerst war der Preis bei 70 Millionen Euro, dann war von 80 Millionen Euro die Rede und jetzt versucht die Landesregierung, das Gelände für 200 Millionen Euro zu verkaufen. Ich finde, das ist unverantwortlich, einfach unfassbar.

(Beifall, Zurufe)

Herr Stock, Sie wissen doch, die Sozialeinrichtungen sind überfordert. Jährlich werden Hunderte Familien und Haushalte aus ihren Wohnungen vertrieben und zwangsgeräumt. Die Notunterkünfte sind überfüllt. Die Familien leben in Hotels und Pensionen unter dramatischen Bedingungen. Über 10.000 Haushalte warten dringend auf eine Sozialwohnung. Mehr als die halbe Stadt leidet unter den enormen Mietpreissteigerungen und unter Verdrängung. Anstatt die eigene Wohnungsbaugesellschaft, die Nassauische Heimstätte, zu beauftragen, soziale und bezahlbare Wohnungen zu bauen, tut die schwarz-grüne Landesregierung so, als ob sie keinerlei Verantwortung für eine bezahlbare Wohnraumversorgung für die Bevölkerung hätte. Was macht der Magistrat? Nichts! Die Koalition hat seit Jahren geschlafen und nichts unternommen.

(Zurufe)

Die Ortsbeiräte 1 und 2 haben ständig Anträge gestellt, um auf dem Gelände des alten Polizeipräsidiums bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen zu bauen. Was haben Sie als Magistrat unternommen? Sie haben die Ortsbeiräte nicht ernst genommen und alle Anträge und Vorschläge abgelehnt.

(Zurufe)

Bisher hat der Magistrat keine Lösung präsentiert, wie er verhindern will, dass das öffentliche Gelände an Privatinvestoren verkauft wird. Denn wir wissen doch, wenn Privatinvestoren das alte Polizeipräsidium kaufen, entstehen dort Luxuseigentumswohnungen, Hotels und Büros. Für dieses Vorgehen gibt es in Frankfurt genügend Negativbeispiele. Nennen möchte ich hier nur das Campusareal in Bockenheim. Dort entstehen ein Luxusapartmenthaus, ein Luxushochhaus mit Hotel und teuren Eigentumswohnungen, und das auf einem Grundstück, das vor wenigen Jahren noch der öffentlichen Hand gehörte.

Jetzt hat die Koalition das ABI gegründet, das Amt für Bau und Immobilien. Was bedeutet das? Im Grunde genommen ist es das Amt für Immobilienspekulation. Die Koalition hat einen Teil der Zuständigkeiten von Stadtrat Josef weggenommen und auch den Bereich von Stadträtin Weber, nämlich Bildung und Integration, eingeschränkt, um für das unnötige Liegenschaftsamt ein neues Amt zu gründen. Dass es für die Bevölkerung zusätzlich Millionen Euro kostet, interessiert anscheinend niemanden in der Koalition. Anstatt die Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung zu vereinfachen, scheint das neue Amt dabei die Konflikte noch zu verstärken. Schon seit Monaten wirbt Stadtrat Josef für neues Bauland. Er beklagt, dass die Stadt nicht über eigene Grundstücke verfügt. Frankfurt könne daher selbst keine bezahlbaren Wohnungen bauen und müsse auf Verträge mit Investoren vertrauen. Diese Situation verschärft Herr Schneider, Dezernent für Immobilienwirtschaft, indem er munter städtische Grundstücke verkauft und das, obwohl die Stadt Frankfurt dringend Wohnfläche für soziale und bezahlbare Wohnungen braucht. Beispielsweise hat der Magistrat in der letzten Sitzung des Ausschusses für Planung, Bau und Wohnungsbau den Verkauf von drei städtischen Grundstücken vorgeschlagen und diesen Verkäufen wurde zugestimmt. Zwei Vorlagen davon waren öffentlich, aber eine Vorlage wurde im vertraulichen Teil behandelt. Das ist keine Seltenheit. In der letzten Wahlperiode hat Stadtrat Cunitz 122.000 Quadratmeter öffentlichen Grund verkauft und Stadtrat Schneider macht seit seinem Amtsantritt letztes Jahr damit weiter. Ich bin empört, dass öffentliche Flächen verkauft werden und dagegen, dass diese Angelegenheiten im Geheimen verhandelt werden. So etwas darf nicht geheim und vertraulich sein. Sie verkaufen öffentliches Eigentum. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu wissen, wie der Magistrat mit öffentlichem Eigentum umgeht.

Im Oktober hat das zuständige Landesministerium den Masterplan Wohnen veröffentlicht. Darin heißt es sinngemäß, dass eigene Grundstücke verbilligt abgegeben werden sollen, wenn dort geförderter Wohnraum entsteht. Wenn Umweltministerin Hinz und das Landeskabinett ihren eigenen Masterplan Wohnen ernst nehmen, sollten sie verantwortlich handeln und das Gelände des alten Polizeipräsidiums nicht an Privatinvestoren verkaufen, sondern es öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften in Erbpacht überlassen. Wir fordern den Magistrat auf, alles dafür zu tun, damit das Gelände nicht an Privatinvestoren verkauft wird. Das Gelände soll in öffentlicher Hand bleiben. Dort sollen dringend benötigte bezahlbare Sozialwohnungen entstehen.

Ich möchte noch etwas zur CDU und FDP sagen: Sie sollten Leerstand und spekulativen Grundstückshandel bekämpfen, anstatt die Au, soziale Einrichtungen und Kultureinrichtungen anzugreifen.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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