Die Versorgung der Stadt darf nicht weiter in den Händen kapitalistischer Privatunternehmer liegen

11. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Februar 2017

Tagesordnungspunkt 6: Einbringung des Etats 2017. Erste Stellungnahme der Fraktionen und fraktionslosen Stadtverordneten

 

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Vielen Dank! Die nächste Rednerin ist Frau Pauli, die Fraktionsvorsitzende der LINKEN Bitte!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Bevor ich auf meinen vorbereiteten Redetext zurückkomme, möchte ich ein paar Anmerkungen zu den Äußerungen von Herrn Kämmerer Becker machen, die er heute Abend hier in Bezug auf uns getätigt hat. „AfD in Rot“, Herr Becker, tiefer geht es kaum noch. Da Sie Kirchendezernent sind und ich ein unverbesserlich optimistischer Mensch, bin ich immer noch am Hoffen, dass Ihnen der Heilige Geist irgendwann einmal die Erleuchtung bringt, um zwischen gut und falsch unterscheiden zu können.

(Zurufe)

Außerdem fragen wir uns in der Fraktion zunehmend, ob Ihr Extremismus uns gegenüber politisch oder religiös inspiriert ist. Noch haben wir es nicht geklärt.

(Beifall, Zurufe)

Wenn der Frankfurter CDU-Vorsitzende nicht mehr in der Lage ist, eine Partei mit antisemitischen Hetzern wie Höcke von der LINKEN zu unterscheiden, sollten sich vielleicht SPD und GRÜNE einmal überlegen, mit wem sie koalieren und was das für ein demokratisches Gemeinwesen bedeutet.

(Beifall, Zurufe)

Ich brauche Sie in diesem Zusammenhang nicht noch einmal darauf hinzuweisen, dass die unsägliche Äußerung ihres Kollegen Daum, dass DIE LINKE es gerne hätte, wenn Leute verbrennen, so unterirdisch war, dass ich sogar das Gefühl hatte, dass das dem einen oder anderen von Ihnen peinlich war.

(Beifall)

Nachdem ich jetzt die ganzen Reden gehört habe, habe ich mich gefreut, dass ich mich heute für eine etwas ungewöhnliche Vorgehensweise entschieden habe. Ich habe mich für die heutige Generaldebatte einmal unter unseren Klassikern umgesehen und bin fündig geworden, und zwar bei einem Text mit sehr hoher Aktualität. Geschrieben hat diesen Text Rosa Luxemburg, die sich im Jahre 1910 intensiv mit den Aufgaben der Kommunalpolitik beschäftigt hat. Sie wissen, dass sich DIE LINKE eng mit dem Erbe Rosa Luxemburgs verbunden fühlt, auch auf kommunaler Ebene, da sie dort viele Ideen eingebracht hat. Das ist unser historisches Erbe, das möchte ich dem einen oder anderen von Ihnen noch einmal klarmachen.

(Beifall)

Vorab will ich gerne noch daran erinnern, dass sich im Januar der Todestag von Luxemburg und Liebknecht gejährt hat. Beide wurden von rechten Hetzern ermordet, eine Tat, die den Anfang des Weges zum Nationalsozialismus markiert hat. In Zeiten wie diesen, sollte man sich dessen immer einmal wieder bewusst werden.

(Beifall, Zurufe)

Deshalb gestatten Sie mir, meine heutigen Ausführungen an den Anmerkungen von Rosa Luxemburg entlang vorzutragen. Fangen wir einmal mit etwas Grundsätzlichem an. Geschrieben hat sie das 1910 in ihrem Kommentar zum Programm der polnischen Sozialdemokratie und es geht um die Bedeutung der Kommunalpolitik. Ich zitiere mit ihrer freundlichen Erlaubnis: „Im Besonderen betrifft aber die Stadt- und Gemeindewirtschaft die lebenswichtigsten materiellen und geistigen Interessen der arbeitenden Bevölkerung. So gibt es also keine einzige Angelegenheit der Stadt- und Gemeindewirtschaft, in welcher die Interessen der Arbeiterklasse nicht verschieden von denen der bürgerlichen Klasse oder ihnen nicht geradezu entgegengesetzt wären“. Wie Recht sie im Kern immer noch damit hat, auch was unsere Stadt betrifft, möchte ich Ihnen gerne an ein paar Beispielen zeigen, die Rosa Luxemburg in ihrer Schrift als Angelegenheit bezeichnet. Dazu jetzt noch ein weiteres Zitat, damit es auch wirklich sitzt: „Ferner erfordert das Interesse der arbeitenden Bevölkerung, dass die Versorgung der Stadt nicht in die Hände kapitalistischer Privatunternehmer gegeben wird, die Millionen daran verdienen würden, sondern dass die Einkommen aus all diesen Zweigen der öffentlichen Wirtschaft zum Nutzen der Bevölkerung in die Stadt- und Gemeindekassen fließen.“

(Beifall)

Dazu habe ich mir als Beispiele die FES und die Außenwerbung ausgesucht. An der FES ist ein privater Unternehmer, die Firma Remondis, mit 49 Prozent beteiligt.

(Zurufe)

Die FES hat allein im Jahr 2015 einen Gewinn von über 22 Millionen Euro eingefahren. Entsprechend hoch war die Gewinnabführung in die Taschen des privaten Unternehmers. Also nichts davon fließt zum Nutzen der Bevölkerung in die Stadt- und Gemeindekasse.

(Beifall, Zurufe)

Ob Sie es glauben oder nicht, bei uns schreiben wir die Reden selbst, sogar die Frauen, Herr von Wangenheim. Das mag Sie überraschen, ist aber so.

(Beifall)

Ganz ehrlich, so wie ich die Damen in Ihrer Fraktion kennengelernt habe, ist das bei Ihnen nicht anders. Das scheint nur noch nicht bis zu Ihnen persönlich vorgedrungen zu sein.

(Zurufe, Heiterkeit)

Wir sind noch bei der Firma Remondis. Ursprünglich galt der Vertrag bis zum Jahr 2015. Aber weil er für Remondis so ertragreich war, haben Sie, meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, ihn im Jahre 2012 für zehn Jahre verlängert und das ohne Not und gegen die Interessen der Stadt, siehe Rosa Luxemburg.

Die zweite Angelegenheit ist die Außenwerbung, mit der die Firma Ströer seit Jahren gute Gewinne macht und der Stadt nur Brosamen dafür gibt. Ãœber dieses ganze Vertragshickhack will ich jetzt gar nichts erzählen. Ich nenne nur einmal die Zahlen, die die SPD im Jahre 2015 geschätzt hat. Das waren damals in der Summe 20 Millionen Euro Verlust. Sie, Herr Josef – er ist, glaube ich, gar nicht da, aber das macht nichts -, merkten letztens in der FAZ an, dass Ihnen die Berechnungen fehlen, um diesen Betrag zu bestätigen. Dann haben Sie noch gesagt, dass es keinen Sinn hätte, mit Zahlen zu jonglieren. Das spricht für sich selbst, das will ich gar nicht weiter kommentieren. Ob Sie sich und Ihrer Partei damit einen Gefallen getan haben, weiß ich nicht. Nur so viel, hinter diesen Zahlen steckt eine riesige Summe, die man zum Beispiel gut für sozialen Wohnungsbau hätte verwenden können. An den Beispielen FES und Ströer sehen Sie, wie aktuell Luxemburg ist.

Ihre nächste Anmerkung, ich zitiere: „Es gibt in jeder Stadt und jeder Dorfgemeinde eine Menge öffentlicher Angelegenheiten, die für die Einwohner der betreffenden Stadt wichtig sind. Zu diesen Angelegenheiten gehören lokale Steuern für die Stadt- oder Gemeindekasse“. Sie werden es ahnen, ich komme auf die Gewerbesteuer. Diese wurde in den letzten Jahren in vielen Gemeinden erhöht, in Frankfurt leider nicht, obwohl es in der letzten Wahlperiode eine Mehrheit dafür gegeben hätte, außer uns waren auch SPD und GRÃœNE eigentlich dafür.

(Zurufe)

Nur die CDU war es nicht, ist es nicht und wird es vermutlich auch nie sein, es sei denn, die Nummer mit dem Heiligen Geist kommt irgendwie dann doch noch.

(Beifall, Heiterkeit)

DIE LINKE fordert, wie Sie wissen, die Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes auf das Wallmann-Niveau. Und das besonders vor dem Hintergrund, dass im aktuellen Konjunkturbericht der IHK, Bezirk Frankfurt, zu lesen ist, dass die Wirtschaft in Frankfurt gut gelaunt in das neue Jahr gestartet ist, die Unternehmen von einer soliden Wirtschaftslage, einem stabilen Arbeitsmarkt und von niedrigen Zinsen profitieren, und dass weit über 60 Prozent der Unternehmen bessere oder wenigstens gleichbleibende Geschäfte erwarten. Das klingt nicht nach Verunsicherung – ich glaube, Sie hatten das angedeutet, Herr zu Löwenstein -, das klingt nach großer Zuversicht. Die Unternehmen in Frankfurt prosperieren, das findet auch DIE LINKE erfreulich, deshalb passt die Erhöhung des Hebesteuersatzes dazu, denn die Gewerbesteuer ist eine Gewinnsteuer. Da die Unternehmensgewinne in den letzten Jahren gestiegen sind, wäre es nur gerecht, die Gemeinschaft daran angemessen zu beteiligen.

Zurück zu Rosa Luxemburg. Zu den angesprochenen Angelegenheiten gehören auch die öffentlichen Wohlfahrtseinrichtungen wie Heime, Nachtasyle oder öffentliche Waisenhäuser. Da bin ich flugs beim Kinderhaus Frank in Sossenheim. Ein Heim für mehrfach schwerst behinderte Kinder, die dort vollstationär gepflegt werden, und das seit vielen Jahren einen guten Ruf hat. Jetzt wird auf einmal behauptet, der bisherige Träger, das ist der Verein Arbeits- und Erziehungshilfe, habe nicht genug Know-how für das Angebot, das er, wie gesagt, schon viele Jahre erbracht hat. Kann man glauben, kann man auch nicht glauben. Jedenfalls sagen die Eltern, so scheint es auch gewesen zu sein, dass sie viel zu spät informiert, vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Sie fühlen sich überrollt. Vor allem auch, weil es keine Alternative zu dem neuen kirchlichen Träger gibt und der, wenn der vae e. V. sich aus dieser Art von Betreuung zurückzieht, auch eine Monopolstellung im Rhein-Main-Gebiet haben wird.

Vertreterinnen der Eltern – ich weiß nicht, ob sie noch da sind, oder ob wir sie rausgequatscht haben – wollten eigentlich in die Sitzung kommen, waren auf jeden Fall im Ausschuss und haben klar gesagt, so nicht, wir brauchen mindestens mehr Zeit. Ich führe das hier noch einmal an, um an Sie, meine Damen und Herren vom Magistrat, zu appellieren, dass es eine gute Gelegenheit wäre, den Entschluss noch einmal zu überdenken und das Kinderhaus Frank erst dann zu schließen, wenn es für die Bewohnerinnen und Bewohner alternative Unterbringungsmöglichkeiten in säkularen Einrichtungen gibt.

(Beifall)

Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinderhauses bedeutet die neue Situation eine deutliche Verschlechterung, nämlich einen Betriebsübergang von einem tarifgebundenen Betrieb mit Betriebsrat in einen Betrieb ohne Tarifbindung und ohne Betriebsrat. Das sollte für eine Stadt wie Frankfurt, die eine Tariftreueerklärung formuliert hat und auch sehr stolz darauf ist, eigentlich ein No-Go sein. Also denken Sie vielleicht noch einmal darüber nach.

(Beifall)

Weiter geht es bei der Auflistung der Genossin Luxemburg mit dem Unterhalt von Krankenhäusern. Sie sieht es für die Kommunen als eine primäre Aufgabe an, Krankenhäuser für die Bevölkerung zu finanzieren und zu unterhalten. Das tut DIE LINKE bis heute, allen neoliberalen Privatisierungsfantasien zum Trotz. Wir passen deshalb beim Klinikum Höchst darauf auf, dass es nicht erst teuer saniert und dann an Private verschenkt wird – sozusagen das Offenbacher Modell. Da hilft es Ihnen auch nicht, Herr Majer, DIE LINKE aus dem Beirat herauszuhalten, obwohl wir im Jahr 2015 aufgefordert wurden, eine Person dafür zu benennen, und – diese Bemerkung sei mir gestattet – wir wurden noch nicht einmal formal und ordentlich davon in Kenntnis gesetzt. Höfliches Kommunikationsverhalten, Herr Dezernent, geht anders. Bleibt zu hoffen, dass das ein einmaliger Ausrutscher war und keine dauerhafte Methode, wie bei einer früheren grünen Dezernentin.

Als Nächstes führt Rosa Luxemburg den Punkt der Instandhaltung von Straßen, Wegen und Brücken an. Auch hierbei ist sie aktuell wie nie, das haben wir vorhin schon gehört. 500 Millionen Euro Investitionsstau bei Sanierung der Infrastruktur, dabei wäre es in einer noch niedrigen Zinsphase der richtige Zeitpunkt, das Geld dafür auszugeben. Damit würden Sie künftige Generationen deutlich weniger belasten, als mit eben dieser maroden Infrastruktur. Herr zu Löwenstein hat davon gesprochen, der nachfolgenden Generation eine stabile Stadtgesellschaft zu übergeben, gute und solide Brücken wäre da schon einmal ein Anfang.

Rosa Luxemburg hat sich in ihren Ãœberlegungen natürlich auch mit dem ÖPNV beschäftigt. Bei ihr heißt das Stadtverkehr und ich zitiere, „sie kümmert sich dabei um Straßenbahnen, Omnibusse und Droschken“. Das mit den Droschken ist heute nicht mehr so aktuell, aber der Rest schon. Stadtverkehr in Frankfurt ist einer der teuersten in Deutschland. Eine Monatskarte kostet aktuell 87,40 Euro, eine Einzelfahrt 2,90 Euro und das Sozialticket um die 60 Euro, wobei der Mobilitätsanteil im Regelsatz von Hartz IV gerade einmal 25 Euro beträgt. Das ist viel zu teuer, das können sich viele Menschen nicht mehr leisten, hier gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Da müsste von der Stadt, von der Kommune, deutlich etwas geändert werden. Sie kennen unser Konzept, kurzfristig Halbierung der Fahrpreise und dann vielleicht doch einmal eine Machbarkeitsstudie für den Nulltarif. Ich rede nur von einer Machbarkeitsstudie, noch nicht von Durchsetzung.

(Beifall)

Wohlstand für alle – ich weiß nicht, wer das gesagt hat -, Sie zitieren Ludwig Erhard, das ist nicht von uns. Also, der ÖPNV verzeichnet deutliche Zuwächse bei den Fahrgästen in Frankfurt, Tendenz steigend. Deshalb müsste hier deutlicher in den Ausbau investiert werden, als wir das erkennen können, sind doch schon heute viele Busse und S-Bahnen am Rande ihrer Kapazitäten. Wenn Frankfurt so weiter wächst, wird das noch große Probleme bereiten.

Noch ein Punkt von Rosa Luxemburg, jetzt zitiere ich wieder ein bisschen länger: „Nicht minder muss den Arbeitern daran gelegen sein, dass die Stadt oder die Gemeinde städtischen Boden nicht privaten Spekulanten überlässt, die die arme Bevölkerung durch zu hohe Wohnungsmieten für elende und enge Wohnungen ausbeuten, sondern dass die Stadt im Gegenteil entsprechende Plätze aufkauft und auf eigene Kosten nach einem entsprechenden Plan gute und billige Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung baut.“ Vor diesem Hintergrund mein Appell an die SPD, die weitläufig auch etwas mit Rosa Luxemburg zu tun hat. Bemühen Sie sich, dass die Stadt das alte Polizeipräsidium kauft und damit ein großes Gelände in bester Lage in ihr Portfolio bekommt. Dort brauchen Sie keine Bäume fällen, keine Kleingärtner vertreiben und keine weiteren Flächen versiegeln. Bauen Sie dort mit der ABG Holding bezahlbaren Wohnraum, gerne nach beiden Förderwegen.

(Beifall)

Ihr Haushaltsentwurf, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sieht auf den ersten Blick nach einem .weiter so. aus. Einen mutigen Aufbruch, zukunftsweisende Ansätze konnte ich bisher nicht erkennen. Die Beteiligung der SPD an der Regierung hat bisher noch nicht zu einer spürbaren Neuausrichtung geführt. Mut zum Handeln, wie es Herr Becker angesprochen hat, kann ich nicht sehen, ganz im Gegenteil. Deshalb möchte ich Ihnen zum Schluss noch eine Frage mit auf den Weg geben. Wenn Rosa Luxemburg 1910 schon die Missstände und Ungerechtigkeiten kritisiert hat, und im Jahre 2016 die Zustände in vielen Bereichen und für viele Menschen noch immer schlecht sind, wäre es dann nicht Zeit für einen Politikwechsel?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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